Einmal quer durch das Geschichtsbuch…
Als man vor gut dreizehn Jahren zum ersten Mal den TV-Spot von „Assassin’s Creed“ sah und dazu mit dem tollen Massive Attack-Song beschallt wurde, konnte man sicherlich nicht damit rechnen, dass die Reihe solch einen Erfolg hinlegen wird. Obwohl der Erstling noch recht umstritten und repetitiv war, ging es spätestens mit Teil 2 so richtig zur Sache.
Anschließend verging eigentlich kaum ein Jahr, in dem kein „Assassin’s Creed“-Teil erschienen ist. Das und das recht formelhafte Gameplay brachte Ubisoft mit der Zeit einiges an Kritik ein, so dass man sich nach „Assassin’s Creed Syndicate“ zu einer Überarbeitung des Konzepts durchrang.
In Anbetracht des Siegeszuges von „The Witcher“ präsentierte man dann „Assassin’s Creed Origins“, welches nicht nur thematisch die Ursprünge des Ordens ergründen sollte, sondern auch in Sachen Gameplay einen Neuanfang bedeutete. So wurde die Erkundung und Charakterentwicklung mehr an ein Rollenspiel angepasst, die Kämpfe außerdem griffiger und taktischer.
Mit „Assassin’s Creed Odyssey“ setzte man diese Entwicklung fort und spendierte dem Abenteuer einen Umfang, der sich gewaschen hat. Wer alles im antiken Griechenland erkunden wollte, konnte da locker 100 Stunden Spielzeit einplanen. Der neueste Ableger entführt uns nun in die Welt der Wikinger. Wir haben uns „Assassin’s Creed Valhalla“ auf der PlayStation4 mal genauer für euch angeschaut.
Mein Leben als Wikinger!
Im neuesten Assassinen-Abenteuer übernehmt ihr die Rolle von Eivor und habt dabei zunächst die Wahl über das Geschlecht des Nachwuchs-Wikingers. Nachdem ihr in einer Rückblende erlebt habt, was euch in frühester Kindheit zugestossen ist und warum ihr nun der Zieh-Sohn beziehungsweise die Zieh-Tochter von König Styrbjorn seid, findet ihr euch auch schon mittendrin in der Action. Denn die Rache am Mörder eurer Eltern ist näher als je zuvor. Doch obwohl eure Mission erfolgreich war, ist der König nicht gerade zufrieden mit eurem Handeln. Das und dessen Pläne über die künftige Zusammenarbeit mit den anderen Königen in Norwegen, veranlassen Eivor und Sigurd nach England überzusiedeln und dort von neuem zu beginnen.
Aber auch westlich Norwegens nimmt man den Rabenklan nicht gerade mit offenen Armen auf. Denn in England streiten sich vier verschiedene Königreiche um die Vorherrschaft im Inselstaat und ihr seid plötzlich mittendrin. Wäre das nicht schon genug, hat Sigurd auf seinen vergangenen Reisen zwei Brüder des Assassinen-Orden getroffen, die euch nun in die dunklen Künste ihrer Bruderschaft einführen und die euch verdeutlichen, wie sehr der Orden der Ältesten in die Machenschaften in England verstrickt sind. Hier wird es Zeit, ein bißchen aufzuräumen.
Altes Konzept, neues Setting
Wer schon mal einen „Assassin’s Creed“-Teil gespielt hat, der wird sich schnell in der neuen Welt zurecht finden. So habt ihr einen Button für je eine leichte und eine schwere Attacke, außerdem könnt ihr mit dem Schild blocken und feindlichen Attacken ausweichen. Um euch zu orientieren, greift ihr entweder auf den Blick eures Raben Synin zurück oder ihr sendet einen Impuls per Druck auf R3 aus, der euch Positionen von Schätzen und Feinden verrät.
Erst nach einiger Zeit im Spiel lernt ihr verschiedene Assassinen-Fertigkeiten kennen und könnt diese dann einsetzen. Vorher heißt es: einfach drauf!
Über die Karte, die zunächst einen Teil Norwegens und dann eben auch England abdeckt, bewegt ihr euch entweder zu Fuß, auf dem Rücken eures Pferdes oder per Schiff auf den vielen Gewässern und Flüssen. Seid ihr mit eurer Crew unterwegs, könnt ihr an bestimmten Dörfern und Klöstern für eine Plünderung Halt machen. Dann schwärmen alle eure Kriegerinnen und Krieger aus und man findet sich in kleineren Schlachten wieder, die euch mal mehr, mal weniger fordernde Gegner entgegenstellen. Als Belohnung gibt es wichtige Rohstoffe und Güter, die ihr für eure Siedlung und deren Ausbau benötigt.
Eine eigene Siedlung? Ja, korrekt. Denn Eivor, Sigurd & Co. gründen in England das Dörfchen Ravensthorp, das fortan wächst und gedeiht. Neben einem Händler, einem Schmied oder einer Bäckerei finden sich dort auch ein Lager für eure Krieger, wo ihr diese ausbilden oder Wikinger von anderen Spielern anheuern könnt. Die einzelnen Einrichtungen lassen sich nach und nach ausbauen und verbessern, so dass eure Heimat bald zu einem stattlichen Ort auf der Landkarte wird.
Es gibt viel zu tun
Wer jetzt denkt, dass es mit Aufträgen für den Assassinen-Orden, dem Treffen von Bündnissen mit anderen Königreichen und dem Ausbau eures Dorfes getan sei, der irrt gewaltig. Denn auch abseits dieser Missionen bietet „Assassin’s Creed Valhalla“ einiges an Beschäftigung. In der Spielwelt trefft ihr immer wieder auf verschiedenste Charaktere, die euch mit Nebenmissionen versorgen, außerdem kann man zahlreiche Schätze finden. Bei diesen handelt es sich nicht nur um Güter, die man gegen Silber eintauschen kann, auch bessere Waffen oder Rüstungsteile lassen sich immer wieder mal ergattern.
Zwischendrin verfolgt euch mal ein mächtiger Homs-Wikinger, der es auf euren Kopf abgesehen hat oder ihr arbeitet ganz entspannt die verschiedenen Aussichtspunkte in der Spielwelt ab, die England nach und nach um weitere Gebiete und Regionen erweitern.
Wer die Zeit ganz Wikinger-haft verbringen will, nimmt an Festen teil, trinkt mit anderen Dorfbewohnern um die Wette oder würfelt um ein paar Silbertaler. Ganz lustig geworden ist der Spottstreit, in dem ihr euch mit einem anderen wortgewandten Redner ablässige Reime um die Ohren haut.
Ähnlich groß wie die Spielwelt von „Assassin’s Creed Valhalla“ ist auch die Zahl an Fertigkeiten und der Skilltree. Erstere erlernt ihr nach und nach und teilt diese dann einer Tastenkonfiguration – also L2 oder R2 plus einer der vier Aktionstasten – zu, die anderen schalten sich über Erfahrungspunkte und das Verteilen dieser frei. Hier hat man es aber recht gut gemeint und so eröffnet sich hier nach einiger Zeit ein Skilltree, der es in sich hat. So viele neue Fähigkeiten lassen sich dort aber gar nicht freischalten, es geht eher um das Verbessern des Schleichens oder der Fern- beziehungsweise Nahkämpfe um wenige Prozentpunkte.
Besser wird Eivor auch durch das Verbessern der Waffen und Rüstungsteile, was entweder beim Schmied oder per Menü geschieht. Hier lassen sich auch unterschiedliche Runen in die Gegenstände einsetzen, um diese mit bestimmten Perks zu verändern.
England ist wunderschön
„Assassin’s Creed Valhalla“ glänzt mit einer wunderschönen Spielwelt, die man gerne bereist. Das gilt für das kalte und triste Norwegen anfangs nicht so sehr, wie dann für die neue Heimat England. Hier wird den Usern alles geboten. Egal ob Sonnenlicht-durchflutete Herbstwälder, neblige Sümpfe oder satte, grüne Wiesen…das ist selbst auf der ollen Standard-PS4 noch ein echter Hingucker.
Selbiges kann man leider nicht unbedingt über die Charaktermodelle sagen. Ähnlich wie in „Watch Dogs Legion“ sind diese von unterschiedlicher Qualität und wissen vor allem in Dialogszenen mit Mimik und Gestik kaum noch zu überzeugen. Hier muss Ubisoft mal ordentlich nachbessern für die kommenden Next Gen-Spiele, um da mit der Konkurrenz mithalten zu können.
Akustisch gefällt der Titel vor allem in der englischen Sprachversion, da die Wikinger hier mit einem deutlichen, nordischen Akzent sprechen, aber auch die deutsche Version geht vollkommen in Ordnung. Schlachten hören sich dank der tollen Geräuschkulisse super an und wenn die Crew auf dem Schiff ein Liedchen anstimmt, kann es gar nicht atmosphärischer sein.
Leider sind die Bugs aber genauso zahlreich wie die Beschäftigungsmöglichkeiten in „Assassin’s Creed Valhalla“. Da bleibt mal eine Figur in der Wand hängen, mal verschwinden Hintergrundgrafiken. Hier spricht der Charakter mal ohne Ton, dort fehlt einfach der Dialogpartner. Das ist alles recht ärgerlich, jedoch sind es glücklicherweise nur kleine Bugs, die keine großen Auswirkungen auf das Spiel an sich haben.
FAZIT: Perfekter Wikinger-Simulator
„Assassin’s Creed Valhalla“ ist trotz kleinerer Mängel ein richtig gutes Spiel geworden und setzt die Saga rund um die Meuchelmörder recht gut fort. Vor allem die Plünderungen und der Aufbau der Siedlung sind eine willkommene Abwechslung zum sonstigen Gameplay, aber auch die Missionen selbst sind abwechslungsreich gestaltet und bieten eine große Vielfalt.
Was natürlich auch wieder Teil des Spiels ist, sind die – häufig ungeliebten – Szenen außerhalb des Animus in der Gegenwart. Die sind ok und nehmen auch nur einen kleinen Teil des Spiels ein, ob man die aber immer noch drin lassen muss, sei dahin gestellt.
Vor allem strecken diese Szenen ein Spiel, das sowieso schon groß genug ist, nochmal in die Länge. Und da liegt auch wieder das Problem von „Assassin’s Creed Valhalla“. Natürlich ist es toll, wenn man für sein Geld viel Umfang geboten bekommt, aber viele Spielerinnen und Spieler verlieren mittlerweile beim Anblick so großer Welten die Lust. Zumindest werden Objekte und Events nicht mit Hilfe von Fragezeichen, sondern mit dezenteren, leuchtenden Punkten angezeigt. Der Größenwahn von Eivors Abenteuer zeigt sich aber auch im Skilltree, der wirklich lächerlich groß ist. Dann bekommt man hier mal ein paar Prozent mehr Nahkampfschaden, da mal mehr Prozent für erfolgreiches Schleichen…so wirklich interessante Sachen kommen dabei aber kaum rum.
Ansonsten trüben das Spielgeschehen eigentlich nur die erwähnten, gelegentlichen Bugs und die etwas schwammige Steuerung. Dieser fehlt es manchmal etwas an Präzision, vor allem wenn man Objekte zerstören will. Bei Feinden ist das dank Lock-on-Funktion weniger problematisch.
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