Von der Sehnsucht nach Horror
Während „Resident Evil“ Mitte der 1990er Jahre das Genre des Zombie- und Splatter-Horrors auf den Konsolen groß machte, war Konamis „Silent Hill“ von 1999 eher der ruhige Vertreter und stellte den psychologischen Horror in den Vordergrund.
Die Reihe hatte großen Einfluss auf das Horror-Genre und entwickelte sich in den ersten Jahren von Teil zu Teil richtig gut weiter. Doch spätestens mit der Krise der japanischen Entwickler*innen zum Wechsel der Generation PlayStation2 zu PlayStation3, fiel es auch Konami immer schwerer ein ordentliches „Silent Hill“ auf die Beine zu stellen.
Der Rest ist Geschichte…Kojimas „P.T.“ wurde eingestellt und aus den Gerüchten der letzten Jahre rund um ein neues „Silent Hill“ ist nie etwas Ernsthaftes geworden. Daher lechzten die Fans nach einem vernünftigen Stellvertreter und sahen diesen in „The Medium“, was beim polnischen Studio Bloober Team für die Xbox Series X|S in Entwicklung war und im Januar 2021 auch veröffentlicht wurde. Gute acht Monate später kommt der Titel auch auf die PlayStation5, was uns den Anlass gab, „The Medium“ mal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Ab in den Lost Place!
„The Medium“ spielt im Polen des Jahres 1999. In der Rolle von Marianne seid ihr gerade dabei, das Begräbnis eures Pflegevaters vorzubereiten als ihr einen seltsamen Anruf erhaltet. Ein gewisser Thomas spricht davon euer Geheimnis zu kennen und bittet euch deswegen ins Niwa-Resort zu kommen.
Diese verfallene Hotelanlage diente zu Zeiten der UdSSR vielen Familien der Erholung, kam dann aber mit negativen Nachrichten in die Schlagzeilen. Ein nie aufgeklärtes Massaker im Resort beendete wohl die Pläne der Besitzer und somit überließ man die Gebäude und das Gelände wieder der Natur.
Angekommen im verfallenen Hotel wird Marianne recht schnell mit übersinnlichen Ereignissen konfrontiert und muss ihre Kraft einsetzen, zwischen den Welten wandern zu können. So trifft sie auf das Mädchen Trauer und macht recht schnell Bekanntschaft mit einem monströsen Wesen, vor dem Marianne auch in der realen Welt nicht sicher ist. Was hinter dem mysteriösen Anruf steckt und was dieser mit dem Niwa-Massaker zu tun hat, müsst ihr nun aufklären.
Rätselnd gruseln
„The Medium“ greift bei seiner Inszenierung auf feste Kamerawinkel zurück. Damit wird auch ausreichend gespielt, so dass es immer wieder zu besonders gruseligen oder epischen Kamerafahrten kommt. Eure Figur steuert ihr somit immer wieder aus einer neuen Perspektive, was bei der Steuerung hin und wieder für etwas Verwirrung und Umdenken sorgt.
Wenn ihr euch auf ein relevantes Objekt zubewegt, zeigt euch das Spiel anhand des passenden Buttons an, was ihr nun tun müsst. Marianne kann mit ihrem „Einblick“ über L1 außerdem wichtige Gegenstände oder Spuren in der realen Welt sehen.
Das eigentliche Alleinstellungsmerkmal ist aber, dass man das Spiel zu einem großen Teil in beiden Welten gleichzeitig spielt. So seht ihr auf der linken Seite des Bildschirms die echte Welt, auf der rechten Seite die Geisterwelt. Und hiermit spielt „The Medium“ gekonnt. Denn manchmal versperren euch Hindernissen in der einen oder der anderen Welt das Weiterkommen und können nur durch das Lösen eines Rätsels umgangen werden. Hierfür kann Marianne ihr Ich in der Geisterwelt von sich lösen und dieses so für eine limitierte Zeit alleine umherwandern lassen.
In der Geisterwelt findet ihr auch immer wieder Lichtquellen, mit der Marianne ihre Energie wieder aufladen und so zum Beispiel durch Mottenschwärme dank Einsatz eines Schutzschildes kommen kann.
Schleichender Horror
Diese Energie kann Marianne auch für das Lösen mancher Rätsel nutzen, um zum Beispiel Schalter in der realen Welt mit Strom zu versorgen. „The Medium“ spielt hier gekonnt mit den Möglichkeiten, lässt die Rätsel aber immer auf einem logischen Niveau stattfinden.
Auf Feinde trefft ihr eigentlich so gut wie keine im verfallenen Hotel. Lediglich dem monströsen Wesen, das Marianne zum Fressen gern hat, müsst ihr euch gelegentlich entgegenstellen. Hier kommt es aber mehr auf eure Weglauf-Fertigkeiten an als auf eure Kampferfahrung, auch Umschleichen lässt sich das eklige Vieh ganz gut.
Der eigentliche Gruselstar ist aber das Niwa-Resort selber. Wer schon einmal in einem entsprechenden Lost Place war, der weiß was man erwarten kann. Dank zahlreicher auffindbarer Erinnerungen, Postkarten und Szenerien erfährt man mit der Zeit immer mehr über das einstige Hotel und dessen Geschichte.
Abstoßend schön
„The Medium“ ist vermutlich eines der schönsten Spiele der noch jungen Konsolengeneration rund um PlayStation5 und Xbox Series X|S. Die Umgebung ist unfassbar detailliert dargestellt und lässt einen immer wieder staunend zurück. Natürlich profitiert dies auch ungemein von den festen Kameraperspektiven, die Hollywood-Feeling aufkommen lassen. Selten hat man so eine gute Kameraarbeit in einem Videospiel gesehen.
Schaltet das Spiel in den geteilten Bildschirm und stellt somit reale und Geisterwelt gleichzeitig dar, zeigen die Entwickler die Power der Konsole. Mal fliegen hier Partikel durch die Luft, dann findet man dort mal wieder eine besonders eklige Textur. Hier wurde wirklich ganze Arbeit geleistet.
Auch das Charakterdesign kann überzeugen, egal ob Hauptfigur Marianne, das Mädchen Trauer oder das Monster…das ist wirklich alles sehr schick.
Was darf bei so einem Grusel-Abenteuer natürlich nicht fehlen? Richtig, die Musik. Und auch hier weiß „The Medium“ zu begeistern und präsentiert euch neben dem Soundtrack des Komponisten Arkadiusz Reikowski auch einige Tracks von „Silent Hill“-Komponisten Akira Yamaoka. Dazu gibt es noch eine perfekte Vertonung in Englisch.
FAZIT: Echte Überraschung!
„The Medium“ ist eine große Überraschung in Zeiten in denen Firmen lieber auf Nummer Sicher gehen und die x-te Neuauflage oder Nachfolger Nummer 247 auf den Markt bringt. Bloober Team bietet hier spielerisch sicherlich keine großartige Revolution an, aber hat sich Gedanken gemacht. So erzählt man eine sehr schockierende Geschichte mit einem frischen Stilmittel, dem geteilten Bildschirm. Und auch wenn man nach ein paar Spielstunden schon ungefähr weiß, wie man das folgende Rätsel lösen muss oder wie man weiterkommt, es macht immer wieder verdammt viel Spaß.
Was mir nicht so gut gefallen hat, war die Steuerung in einigen Sequenzen. Vor allem bei der Flucht vor dem Monster sind umschaltende Kameraperspektiven eher hinderlich und sorgen so mal schnell für den Bildschirmtod. Wer sich danach aufgrund der SSD-Power der PlayStation5 einen schnellen Neustart erhofft, wird enttäuscht. Denn seltsamerweise dauert es immer eine ganze Weile bis man wieder vom Checkpoint starten darf. Auch die Laufanimationen der Figuren sind nicht unbedingt mit Dynamik gesegnet und wirken recht steif.
Dennoch überwiegt die Freude über dieses Spiel. Schön, dass es auch noch auf die Sony-Konsole kam und so noch weiteren Spieler*innen zugänglich gemacht wird.
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