Videospiel-Kult
Auch wenn Microsoft mit seiner Xbox vor zwanzig Jahren eher belächelt wurde, spätestens bei den ersten Szenen aus „Halo“ war klar, dass das Unternehmen aus Redmond keine Eintagsfliege sein will.
Der Master Chief war ganz schnell Kult unter den Spieler*innen, mittlerweile kann die Reihe auf sechs Hauptspiele und mehrere Spin-offs sowie Ausflüge ins Taktik-Genre zurückblicken. Doch in den letzten Monaten sah es gar nicht so gut um das Franchise aus. Eigentlich als Start-Titel für die Xbox Series X|S gedacht, wurde „Halo Infinite“ nach seiner Präsentation im Juli 2019 komplett zerrissen, vor allem die grafische Seite ließ manch einen Fan die Hoffnung auf eine standesgemäße Rückkehr verlieren. Es folgte eine Verschiebung raus aus dem Releasefenster der neuen Xbox und erst sage und schreibe zwölf Monate nach Veröffentlichung der Next Gen-Hardware fand „Halo Infinite“ seinen Weg in die Regale.
Doch hat sich die Wartezeit wirklich gelohnt? Wir haben uns das neue Abenteuer des Master Chief angeschaut und verraten es euch in unserem Review.
Der Master Chief ist tot…
Alles beginnt im Jahr 2559 als das UNSC-Schiff Infinity von den Verbannten angegriffen und gekapert wird. In der Rolle des Master Chief stellt ihr euch natürlich den Eindringlingen entgegen, was in einem dramatischen Kampf endet. Denn deren Anführer Atriox ist nicht unbedingt die Kragenweite des Master Chief und macht somit kurzen Prozess mit ihm.
Mehrere Monate später wird die vermeintliche Leiche des Master Chief von einem UNSC-Piloten aufgenommen, der ihn auch tatsächlich wieder zum Laufen bringt. Während der Pilot lieber wieder Richtung Heimat möchte, beharrt der Master Chief darauf seinen Auftrag zu Ende zu bringen.
Also machen sich die beiden auf Richtung Halo Zeta, das von den Verbannten unter Kontrolle gebracht wurde, um etwas aufzuräumen.
Shooter wie früher
Nach den ersten Stunden in „Halo Infinite“ fühlt sich alles so an wie früher. Gut, den Greifhaken gab es bisher nicht und dieser bringt spielerisch ein paar Kniffe rein. Sich damit schnell von Feind zu Feind bewegen oder an höher liegende Stellen kommen macht schon Spaß, später gibt es auch noch ein paar spezifischere Nahkampf-Attacken freizuschalten. Doch irgendwie fühlt sich das alles gleich an…man läuft durch Gänge, ballert Aliens über den Haufen und kommuniziert mit einer virtuellen KI.
Aber Halt…“Halo Infinite“ macht dann doch etwas anders. Und zwar öffnet sich die Spielwelt nach dem ersten Kapitel für den Master Chief gehörig und euch erwartet eine Open World wie man sie eigentlich nur aus Titeln wie „Far Cry“ kennt.
Grenzposten, die eingenommen werden wollen, zu befreiende Marines und die Suche nach neuen Waffen oder Spartan-Kernen, sind nur einige der Nebenaufgaben denen ihr nachgeht. Dabei könnt ihr euch entweder zu Fuß fortbewegen oder schnappt euch eines der vielen Fahrzeuge wie den bekannten Warthog.
Die regulären Missionen bestehen meist aus dem Infiltrieren einer Anlage, dem Erledigen aller dort anwesenden Feinde und meist noch der Aktivierung irgendeiner Mechanik. Hin und wieder stellt sich euch dann noch ein großer Endboss-Brocken entgegen, dem ihr erstmal die Panzerung wegballern müsst bevor er überhaupt Schaden nimmt. Glücklicherweise findet ihr in der Spielwelt genug Munition, andere Waffen und explosive Kisten, so dass ihr euch immer ordentlich zur Wehr setzen könnt.
Mehrspieler-Freuden, Upgrades & Co.
Wie ein paar Sätze weiter oben schon erwähnt, lassen sich in der Spielwelt neben besonderen Waffen auch Spartan-Kerne finden. Mit diesen könnt ihr euren Greifhaken oder euer Schild verbessern. Von toten Kollegen hingegen bekommt ihr hin und wieder neue Gadgets für euren Anzug, so dass ihr zum Beispiel die Rüstung für kurze Zeit verstärken oder mit Hilfe eines Peilsenders Gegner besser aufspüren könnt.
Wer sich abseits der Kampagne die Zeit vertreiben möchte, kann dies im Multiplayer-Modus machen. Dieser wurde bereits einige Wochen vor dem Release des Hauptspiels veröffentlicht und ist sogar kostenlos spielbar. Neben Klassikern wie Team-Deathmatch oder Capture the Flag duelliert ihr euch auch um Festungen oder sammelt Vorräte und bringt diese wieder in eure Basis. Leider kann man die Modi nicht direkt einzeln anwählen, das Spiel entscheidet immer für euch welcher Modus jetzt gespielt wird.
Habt ihr euch gut geschlagen, bekommt ihr für die Matches ausreichend Erfahrungspunkte, um euch neue Anzüge, Helme und andere Ausrüstungsgegenstände zu leisten. Aber auch hier ist die Progression sehr langsam und als ungeübter Spieler braucht man definitiv lange Zeit bis man Stufenaufstiege hinbekommt.
Halo goes Alpen
Denkt man an die erste Präsentation von „Halo Infinite“ zurück, ist der grafische Sprung schon immens. Vor allem die Figuren und deren Items strotzen nur so vor Details, sei es der Anzug des Master Chiefs, die Waffen oder die Feinde…da kann man sich kaum dran sattsehen. Die Spielwelt an sich – die teilweise wirklich sehr wie die Region um die Alpen aussieht – bietet neben den Gebäuden und Lagern der Feinde leider relativ wenig spannendes. Hier gibt es mal ein paar Tiere, dort einen ganz schönen Ausblick…das machen vergleichbare Open World-Shooter deutlich besser.
Auf der Xbox Series S lief das Spiel zum Großteil flüssig, nur beim Wechsel in die Weltkarte war es hin und wieder etwas ruckeliger. Störender waren da definitiv ein paar Audio-Bugs, die immer wieder mal auftraten. So hörte man oft noch minutenlang das Geräusch als ob ein gegnerischer Schuss irgendwo einschlägt, obwohl keine Feinde mehr da waren.
Auch die KI könnte etwas besser poliert sein. Auffällig war das vor allem bei den befreiten Marines, die einem folgen. Zum einen sind diese unfassbar langsam, so dass man immer warten muss, zum anderen blieben diese auch häufiger mal in der Gegend hängen oder kamen einen Abhang einfach nicht herunter.
Ein absolutes Highlight von „Halo Infinite“ ist die Vertonung und Sounduntermalung. Die deutsche Synchro ist gut, vor allem die Sprüche der Feinde recht spaßig. Die Musik des Spiels ist genial und überzeugt mit ihren sphärischen Synthie-Sounds und epischen Melodien.
FAZIT: Alte Mechaniken, neues Gewand
„Halo Infinite“ ist definitiv nicht der Über-Titel, den sich viele erhofft haben. Denn dafür ist das Spiel in Sachen Gameplay viel zu altbacken und bedient sich an Elementen, die schon vor zehn Jahren in Open World-Spielen genervt haben. So leiden die Nebenaufgaben mit denen die Spielwelt gefüllt ist, am typischen Ubisoft-Formel-Syndrom und bringen euch inhaltlich – von der Schnellreise-Funktion abgesehen – eigentlich so gut wie nichts. Auch Halo Zeta ist zwar schön anzusehen, wirkt aber komplett tot und ausgestorben. Man wird einfach nicht zum Erkunden eingeladen wie es zum Beispiel in einem „Breath of the Wild“ der Fall ist.
Dennoch ist „Halo Infinite“ kein schlechtes Spiel. Das Artdesign ist super, ebenso der Soundtrack…vom grandiosen Gunplay, das die unterschiedlichen Waffen bieten, habe ich auch noch nicht berichtet. Das Kämpfen macht wirklich Spaß, gerade auch in Kombination mit dem Greifhaken sind hier einige coole Manöver möglich. Und hier liegt wirklich die größte Stärke des Spiels. Folgt ihr strikt den Storymissionen und hangelt euch so von Kampf zu Kampf kommt so schnell keine Langeweile auf.
Ob der Gang in die Open World „Halo Infinite“ wirklich viel gebracht hat, bezweifle ich. Vielleicht hätte man sich lieber auf eine lineare Struktur konzentrieren sollen und dafür die Story noch ein bißchen ausgefallener schreiben können.
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