Das ungeliebte Kind
Während man in Sachen Filmen und Serien immer noch hinter dem Konkurrenten Marvel hinterherhinkt, hat DC zumindest im Bereich der Videospiele die Nase vorne. Verantwortlich dafür sind vor allem die Umsetzungen des „Batman“-Franchise, allen voran natürlich die „Arkham“-Reihe mit ihren vier Einträgen. Denn mit „Arkham Asylum“, „Arkham City“ und „Arkham Knight“ schuf Entwickler Rocksteady die perfekten Versoftungen der Vorlage und bot Fanservice ohne Ende. Aber halt…es waren doch vier Teile, oder? Ja, denn nach dem zweiten Teil erschien auch noch „Batman Arkham Origins“, das nicht von Rocksteady sondern Warner Bros. Montreal entwickelt wurde. Und obwohl man sich an den Standards der Reihe orientierte, blieb diese Vorgeschichte immer sowas wie das schwarze Schaf der „Arkham“-Familie. Selbst Rocksteady ließ das Spiel links liegen und sprach öffentlich von lediglich drei Teilen der Reihe.
Und nun das…denn während sich das Studio aus London um die „Suicide Squad“-Umsetzung kümmert, durfte Warner Bros. Montreal wieder zurück in das „Batman“-Universum und hat mit „Gotham Knights“ das neueste DC-Abenteuer zu verantworten. Wie dieses gelungen ist, erfahrt ihr im Test der PlayStation5-Version.
Batman ist tot!
Gotham City befindet sich in einem Schockszustand. Denn kurz nachdem Commissioner Jim Gordon gestorben ist, wird auch Batman Opfer eines hinterhältigen Überfalls von Ra’s al Ghul und sprengt sich und den Bösewicht mit samt seiner Bat-Höhle in die Luft.
Während die Öffentlichkeit natürlich nur vom Tode Bruce Waynes erfährt, scheint aber die Unterwelt von der Abwesenheit Batmans Wind bekommen zu haben und so regt sich einiges an kriminellen Aktivitäten.
Zum Glück gibt es aber noch Batgirl, Red Hood, Nightwing und Robin, die sich diesen Schurken entgegenstellen können. Doch leider ist ihnen auch die Polizei und die Gesellschaft nicht mehr so wohl gesonnen wie früher. Mit der Hilfe von Alfred und anderen Weggefährten Batmans, unter anderem Lucius Fox, muss sich das Quartett also nun behaupten und macht sich daran, den letzten großen Fall des dunklen Ritters zu lösen. Dabei stößt man nicht nur auf den geheimnisvollen Rat der Eulen, sondern auch auf einige andere, alteingesessene Schurken wie Harley Quinn oder Mr. Freeze.
Detektivisches Kloppen
Wie auch schon die Spiele der „Arkham“-Reihe, bietet euch „Gotham Knights“ ein frei erkundbares Gotham mit mehreren Stadtteilen und dem berüchtigten Blackgate-Gefängnis. Doch im Gegensatz zu Batmans Videospiel-Ausflügen, könnt ihr hier in die Rolle von gleich vier Superhelden schlüpfen. Dies ist immer nur im Hub des Spiels, im alten Glockenturm von Gotham, möglich, bietet euch aber einiges an spielerischer Abwechslung.
Denn während sich die Grundmanöver zum Verdreschen der Bösewichte kaum unterscheiden, hat jeder der Vier spezielle Fertigkeiten. Batgirl zum Beispiel macht von ihrem technischen Know-How Gebrauch und kann verschiedene Terminals und Gerätschaften hacken, Robin hingegen ist eher der Stealth-Spezialist. Etwas zünftiger geht es bei Nightwing und Red Hood zu. Vor allem bei Letzterem wird das Spiel schnell mal zu einem Shooter…seinen beiden Schusswaffen sei Dank.
Das eigentliche Kampfsystem bietet kombobasierte Prügeleien wie man sie auch aus den früheren Teilen kennt. So verkloppt ihr eure Feinde recht stilsicher, müsst aber auch immer auf deren Attacken Acht geben und könnt diesen – vorausgesetzt ihr habt ein gutes Timing – auf stilvolle Weise entgehen.
Wie Lehrmeister Batman kommt es aber nicht immer nur auf den Einsatz eurer Fäuste an, es darf auch gerne mal etwas ermittelt werden. Diese Elemente sind aber recht spartanisch eingesetzt und bestehen nur daraus, dass man Beweise miteinander verknüpft und im passenden Moment den „Lösen“-Button drückt. Wie auch schon der Lehrmeister selbst, nutzen seine Schützlinge einen AR-Modus für mehr Hinweise.
War das mal ein MMO?
„Gotham Knights“ fühlt sich in manchen Teilen an als hätte Warner Bros. Montreal hier ein vollwertiges Multiplayer-Spiel machen wollen. So bieten sich euch schon früh im Spiel unzählige Herausforderungen an, die erledigt werden wollen und auch das – nach Seltenheit sortierte – Loot taucht in Massen auf und erinnert dabei eher an Service-Games wie „Destiny“ oder „The Division“. Dennoch kann man den Titel nur zu zweit spielen, was online auch recht flüssig funktioniert hat.
Ansonsten bietet euch „Gotham Knights“ die üblichen Zutaten eines Open World-Rezepts. So kommt ihr an verschiedenen Verbrechen vorbei, die verhindert werden wollen, sammelt Batarangs ein oder scannt Streetart in den Straßen Gothams. Hier und da finden sich Kisten mit Material, aus dem ihr neue Ausrüstungsgegenstände craftet oder schaltet Schnellreisepunkte frei.
Im Glockenturm, also eurem Hauptquartier, könnt ihr außerdem unzählige Trainingsmissionen erledigen, spielt an einem Arcade-Automaten oder lackiert das Bat-Bike um, mit dem ihr dann stilvoll durch Gotham rasen könnt.
Neben den Waffen kann auch euer Anzug immer weiter verbessert werden. Hierfür stehen sogar verschiedene Designs zur Wahl, gerne können dann auch Details wie die Maske, das Logo oder die Farben verändert werden. Zusätzlich dazu können Ausrüstungsgegenstände mit Mods und somit mit weiteren Eigenschaften und Verbesserungen versehen werden.
Last Gen-Superhelden
Im Vorfeld des Releases von „Gotham Knights“ wurden irgendwann die Fassungen für die PlayStation4 und die Xbox One gestrichen. Und nachdem man nun unzählige Stunden in Gotham unterwegs war, fragt man sich: warum eigentlich? Denn so schön das Spiel in manchen Momenten sein kann, vor allem die Neonbeleuchtung und der Nebel sind hier besonders hervorzuheben, so altbacken wirkt „Gotham Knights“ in anderen Momenten. Ja, die Figuren sind detailliert gestaltet und einige Effekte wie geschrieben sehenswert, aber alles in allem ist das Spiel nicht wirklich das was man von einer PlayStation5 erwarten würde.
Das fällt vor allem bei der Framerate auf, die sich hin und wieder sogar mit den 30fps schwer tut und solche Sequenzen wie auf dem Motorrad vollkommen undynamisch wirken lässt. Geht dann über sich ständig wiederholende Charaktermodelle bei den Standardfeinden und endet bei einer Kamera, die in den Kämpfen doch auch gerne mal den Blick auf die Feinde verliert.
Ebenfalls stark aufgefallen sind die vielen Szenen zum Kaschieren von Ladezeit, in denen sich euer Held beziehungsweise eure Heldin durch enge Hindernisse quetschen oder Türen öffnen muss. Da scheint technisch irgendwas im Argen zu sein.
Immerhin ist die deutsche Vertonung sehr gut gelungen und gefällt mit einigen prominenten Stimmen. Etwas zwiespältig gefiel die musikalische Untermalung, die oft gar nicht auffällt, dann aber hin und wieder sogar ein paar Songs einspielt, die gut zum Geschehen passen.
FAZIT: Macht doch irgendwie Spaß!
„Gotham Knights“ ist sicherlich kein Spiel, das man so ohne weiteres empfehlen kann und das weit hinter der Qualität der „Arkham“-Reihe zurück bleibt. Denn es hat einfach zu viele Macken, fühlt sich häufig an wie nach Schema F programmiert und sieht dann auch noch auf einer top-aktuellen Konsole wie der PlayStation5 eher nach PS4-Frühzeit aus. Dennoch machte mir der Titel relativ viel Spaß! Schuld daran ist vor allem die gute Chemie zwischen den vier Superhelden und die generelle Atmosphäre in Gotham City. Auch wenn die Stadt zu Beginn relativ generisch wirkt, versprüht sie recht schnell diesen gewissen Charme, den man auch aus anderen „Batman“-Umsetzungen kennt. Ebenso weiß die Geschichte mit ihren vielen Cameos zu überzeugen, braucht aber etwas Zeit um richtig die Zügel anzuziehen. Dennoch bleiben vor allem die Helden oft recht blass und wirken eher als Mittel zum Zweck. Vielleicht hätte es dem Spiel gut getan, wenn man sich auf nur eine oder maximal zwei Hauptfiguren beschränkt hätte.
Und das kann man durchaus auch auf andere Bereiche von „Gotham Knight“ beziehen. Das unzählige Loot, die ständig neuen Items und das daraus resultierende Verweilen in Menüs und das Vergleichen irgendwelcher Status-Werte ist dann doch irgendwann ermüdend und nimmt so viel Zeit in Anspruch. In Verbindung mit zahlreichen, sich wiederholenden Nebenmissionen wirkt das alles sehr gestreckt und künstlich in die Länge gezogen.
Zum Schluss noch ein Wort zur Geschichte. Die ist gut, wird aber vor allem Batman-Neulingen sicherlich einige Kopfschmerzen bereiten. Der Rat der Eulen, die Liga und manche Nebenfigur sind vermutlich nur absoluten Kennern der Materie bekannt.
Be the first to comment