Nicht gerade ein Fan-Liebling
Als Ubisoft 2014 „Watch_Dogs“ veröffentlichte, wollte man mit der Reihe eigentlich einen ähnlichen Erfolg wie mit „Assassin’s Creed“ feiern und plante schon einen regelmäßigen Release-Turnus für weitere Teile.
Doch das Hacker-Abenteuer sah sich mit einigen Kritiken konfrontiert. So waren viele Fans mit dem technischen Downgrade des Spiels unzufrieden, außerdem konnte die Hauptfigur Aiden Pearce nicht gerade mit Sympathie punkten. Diese düstere Grundstimmung wurde im zweiten Teil dank neuem Setting und neuem Helden etwas verbessert, doch aufgrund der Open World-Müdigkeit die sich 2016 so langsam einstellte, blieb „Watch_Dogs 2“ unter dem Radar.
Nach einiger Verspätung erscheint nun „Watch Dogs Legion“, der dritte Teil der Reihe, und bringt einige vielversprechende Features mit sich. Unter anderem kann man hier quasi jeden NPC des Spiels übernehmen und auf dessen spezielle Fähigkeiten zurückgreifen. Wie sich Ubisofts neuester Streich insgesamt spielt und anfühlt, verraten wir euch in unserem Test der PS4-Version.
Die Hacker sind mal wieder schuld!
Nachdem London von mehreren Explosionen heimgesucht wird und dabei unzählige Menschen ums Leben kommen, steht schnell der Schuldige fest: die Hackerorganisation DedSec muss dahinterstecken. Doch das entspricht nicht ganz der Wahrheit, denn eigentlich hat eine mysteriöse Organisation namens Day Zero die Bombenanschläge zu verantworten. Doch der Regierung und vor allem der Sicherheitsfirma Albion kommt dies alles sehr recht und kurz nach den Anschlägen ist London ein Paradebeispiel eines Überwachungsstaats. An jeder Ecke verfolgen Kameras die Bürger auf Schritt und Tritt und die Angestellten von Albion machen von ihrem uneingeschränkten Recht Gebrauch und kontrollieren jeden Verdächtigen.
Zum Glück gibt es aber immer noch DedSec-Sympathisanten, die sich die Rückkehr der Hackergruppe wünschen. Und genau in diese Rolle schlüpft ihr nun und helft der Organisation wieder Fuß zu fassen. Schließlich gilt es, die Schuldigen für den Anschlag zu finden und den Widerstand wieder aufzubauen.
London calling!
Nach Chicago und San Francisco verschlägt es euch im dritten „Watch Dogs“-Teil nun also in ein dystopisches London der nahen Zukunft. Links und rechts der Themse könnt ihr also nun Stadtteile wie Camden, Westminster oder Southwark erkunden und nach und nach für die Rückkehr von DedSec sorgen.
Zu Beginn des Spiels könnt ihr aus einigen potentiellen Charakteren auswählen, die alle einen Grund für ihre DedSec-Sympathien haben und zusätzlich schon über eine passive Fähigkeit verfügen. Wir entscheiden uns für eine Dame, die aufgrund eines tätlichen Angriffs gegen einen Albion-Mitarbeiter im Gefängnis saß und deswegen vom Start weg schon bessere Werte im Kampf gegen diese verfügt. Nach der Inbetriebnahme des ehemaligen Unterschlupfes von DedSec dürft ihr außerdem aus einem Gadget wählen, u.a. gibt es hier eine kleine Roboterspinne oder eine Tarnvorrichtung. Außerdem könnt ihr in dem Lager neue Klamotten auswählen, Trainingskämpfe machen und Schnappschüsse eurer Figur vor verschiedensten Hintergründen schießen.
Doch wir ziehen los und machen uns auf unsere erste Mission. Die Struktur dieser erinnert sofort an die Vorgänger und lässt uns wieder Gebrauch von allerlei technischen Fertigkeiten machen. So hacken wir uns in Kameras und spionieren das Gebiet und Gegner-Routen aus, aktivieren Sprengfallen oder stören den Funkkontakt der Feinde. Für Auseinandersetzungen mit diesen stehen Nahkampfangriffe und Schusswaffen aller Art bereit.
Stressiges Hackerleben
Kommen wir aber einmal zu dem Alleinstellungsmerkmal des Spiels. Schließlich wirbt Ubisoft damit, dass man jeden NPC als Spielfigur übernehmen kann. Und das funktioniert sogar recht gut. So könnt ihr wirklich jede Figur auf der Straße ansprechen und in ein Rekrutierungsgespräch verwickeln. Einige davon schicken euch vor ihrem Beitritt zu DedSec auf eine kleine Mission und sind dann als Teammitglied zu jeder Zeit verfügbar.
Dabei verfügt jede Figur über individuelle Fähigkeiten und eine kleine Hintergrundgeschichte. Mit dem Bauarbeiter spaziert ihr relativ frei über gesicherte Baustellen und könnt eine Transportdrohne rufen, Mitglieder aus dem Fight Club sind besonders gut im Auf-die-Nase-hauen.
Stichwort „Fight Club“: neben diesen Arenakämpfen gibt es in „Watch Dogs Legion“ auch abseits der Geschichte einiges zu tun. So sorgt ihr mit kleinen Sabotageakten in den einzelnen Vierteln für mehr Unterstützung von DedSec durch die Anwohner oder ihr spielt eine Runde Dart im Pub. Ubisoft-typisch kann man auch allerlei Sachen sammeln, die jetzt aber keine spezielle Auswirkung auf das Spiel haben. Neben neuen Masken gibt es Audiofiles und Textdateien zu finden, die die Spielwelt und die aktuellen Umstände noch lebendiger machen.
Wichtiger sind hierbei die Fertigkeitspunkte mit denen ihr neue Tech-Gadgets freischaltet und verbessert. So könnt ihr zum Beispiel irgendwann nicht nur eine Kampfdrohne ausschalten, sondern auch so manipulieren, dass sie eure Feinde angreift. Generell sind Drohnen im Stadtbild von London sehr präsent und lassen sich für allerlei Schabernack verwenden.
Im Dezember spendiert Ubisoft „Watch Dogs Legion“ noch ein Update, das dann Multiplayer-Partien ermöglicht. Daher ist zu diesem Modus bisher noch nichts zu sagen.
Ubisoft braucht wohl DedSec-Support
Bisher kann „Watch Dogs Legion“ also ziemlich überzeugen und gefällt mit seinen inhaltlichen Aspekten. Doch wie sieht es mit der Technik des Spiels aus? Nun, optisch reißt man hier zwar keine Bäume aus, insgesamt gefiel uns das virtuelle London aber sehr gut. Die verschiedenen Bezirke kann man gut auseinanderhalten und wer schon mal in der britischen Hauptstadt war, wird viele Ecken erkennen und sich gleich wieder wie vor Ort fühlen.
Das Fahrgefühl der Fahrzeuge unterscheidet sich stark voneinander und passt jeweils zu dem gewählten Gefährt. Auch die Figuren lassen sich gut durch die Stadt steuern und trotz vieler Interaktionsmöglichkeiten hat Ubisoft die Handhabung ganz gut gelöst.
Akustisch gefällt der Titel mit seinem Ambient-Soundtrack während den Missionen. Im Auto oder auf dem Bike gibt es Musik britischer Künstler zu hören, u.a. von Bloc Party, Fatboy Slim oder den EM-Song von 1996, „Three Lions“. Absolut hervorragend ist die englische Vertonung mit schönstem britischen Akzent, eine deutsche Tonspur kann man zusätzlich aber herunterladen.
Aber nun zu den unschönen Seiten. Leider ist uns „Watch Dogs Legion“ auf der Standard-PS4 schon in den ersten Stunden einige Male abgestürzt, häufig dann auch noch während Missionen. Zusätzlich dazu läuft das Spiel nicht gerade flüssig, bei einer Fahrt mit einem LKW während eines Auftrags musste man alle paar Meter Angst haben, dass das Spiel gerade schon wieder abstürzt. So zuckelte das Fahrzeug so vor sich hin…echt blöd. Der Day 1-Patch hat hier nur bedingt geholfen, aber zumindest die Abstürze reduziert. Auch die Ladezeiten sind alles andere als schön und nerven vor allem beim Figurenwechsel. Hier liegt die Hoffnung auf den kommenden Next Gen-Fassungen, die dank SSD-Power dieses Problem nicht haben sollten.
FAZIT: Bekannte Ubisoft-Macken, aber spannendes Setting
„Watch Dogs Legion“ führt die Tradition der Reihe eigentlich perfekt fort. Denn bisher hatte jeder Teil der Hacker-Saga eine ganz ordentliche Qualität, aber ohne je ein wirkliches Top-Spiel zu sein. Und jeder Teil von „Watch Dogs“ hatte immer so mit seinen kleinen Macken zu kämpfen. Bei „Watch Dogs Legion“ ist dies vor allem die Technik, die mit Abstürzen und Rucklern zu kämpfen hat. Immerhin hat Ubisoft einen Day 1-Patch veröffentlicht, der die Probleme gering halten beziehungsweise beheben konnte.
Und auch die grundlegenden Gameplay-Mechaniken entsprechen eben der typischen Ubisoft-Formel. So befreit ihr Viertel, sammelt Fertigkeitspunkte und allerlei anderen Kram und erledigt zwischendurch mal eine Mission. Glücklicherweise ist die Karte von London nicht mit Nebenmissionen zugekleistert wie andere Spiele…ähm…“Assassin’s Creed“…wer hat das gesagt?
Was mich persönlich überhaupt nicht gestört hat, war die etwas überdrehte und hippe Art der Hackergruppe. Das passt einfach zum Gesamtbild, könnte aber sicherlich den ein oder anderen Spieler vergraulen. Perfekt gelungen ist die Abbildung Londons. Von bekannten Ecken wie dem Piccadilly Circus bis hin zu den leicht verranzten Straßenzügen in Camden, man erkennt einfach alles wieder. Auch der Big Ben und das London Eye dürfen da natürlich nicht fehlen.
Alles in allem ist „Watch Dogs Legion“ ein solides Open World-Spiel geworden. Wie schon erwähnt sollte man aber vielleicht wirklich auf die Next Gen-Fassungen warten, da vor allem die Technik und die Ladezeiten immer wieder mal einen Strich durch die Spielspaß-Rechnung machen.
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