Hexensage continues…
„Bayonetta“ bekam bei seinem Release im Jahr 2009 zwar viel Aufmerksamkeit von Spieler*innen und Fachpresse, doch ein großer Erfolg war das fulminante Hexen-Abenteuer nicht unbedingt. Letztlich war es für einen massentauglichen Hit dann doch zu abgedreht und wild. Doch glücklicherweise war Nintendo damals auf der Suche nach interessanten Titeln für ihre WiiU und so gab man Platinum Games etwas Kleingeld, so dass diese dennoch einen Nachfolger entwickeln konnten.
Im vergangenen Jahr dann erschien endlich der langersehnte dritte Teil, so dass man eigentlich davon ausgehen konnte, dass die Geschichte um die langbeinige Hexe erst einmal auserzählt ist. Doch weit gefehlt…denn bereits im Dezember 2023 kündigten Platinum Games und Nintendo mit „Bayonetta Origins: Cereza and the Lost Demon“ ein neues Spiel aus dem Hexen-Universum an. Mit neuem Grafikstil und komplett anderen Gameplay-Elementen überraschte der Switch-Titel schon auf den ersten Blick. Ob sich daraus ein überzeugendes Gesamtbild ergibt, lest ihr in unserem Test.
Klein-Bayonetta und ihr Plüschtier
Lange bevor wir Bayonetta unter ihrem aktuellen Namen kennenlernten, war sie eigentlich als Cereza bekannt und noch eine zurückhaltende und ängstliche Schülerin an der Hexen-Akademie. Unter ihrer Lehrerin Morgana wird sie zwar in so einigen dunklen Künsten gelehrt, doch mit der Ausführung hapert es immer wieder. Dennoch ist sie interessiert und neugierig und stolpert so eines Tages in ein komplett neues Abenteuer.
Denn im nahe gelegenen Avalon-Wald erhofft sie sich Antworten auf ihr Dasein und ein Treffen mit ihrer Mutter. Doch der Wald wird von grausamen Feen bewohnt, die fremde Besucher nicht gerne willkommen heißen.
Glücklicherweise wird Cereza zum einen von einem mysteriösen, weißen Wolf geleitet, zum anderen aber auch von einem Plüschtier begleitet, dem ein verlorener Dämon namens Cheshire innewohnt. Wird sie ihre Mutter tatsächlich finden? Und wer steckt hinter den gemeinen Feen, die den Besuchern des Waldes das Leben so schwer machen?
Kehrtwende
Wer einen der bisherigen „Bayonetta“-Teile gespielt hat, sollte komplett vergessen was er in diesen gelernt hat. Denn „Bayonetta Origins: Cereza and the Lost Demon“ geht komplett neue Wege.
Statt eines wilden Action-Spektakels erlebt ihr diese Geschichte nämlich in Form eines Adventures, in dem ihr zwar auch Kämpfe bestreiten müsst, aber auch viele Puzzle löst. Und als wäre dies nicht schon ungewöhnlich genug, steuert ihr beide Charaktere auch noch gleichzeitig…klingt wild? Das ist es auch.
So bewegt ihr Cereza ausschließlich mit dem linken Joy-Con über den Bildschirm, für Cheshire und seine Aktionen steht dann der rechte Joy-Con zur Verfügung. Da ihr euren Dämonen aber auch jederzeit in die Puppenform zurückrufen könnt und auch nicht immer benötigt, wird diese Art der Steuerung nicht über die komplette Spieldauer angewendet.
In der Praxis sieht das dann folgendermaßen aus: Cereza trägt Cheshire als Stofftier herum und kann diesen mit einem Druck auf die R-Taste erscheinen lassen. Ab diesem Moment steuert ihr also mit dem linken Stick die werdende Hexe, mit dem rechten Stick den Dämonen. Die jeweiligen Aktionen der beiden führt ihr dann mit ZR beziehungsweise ZL aus. So kann Cereza die Feinde mit einem Bannkreis am Bewegen hindern, Cheshire kann mit seinen Pranken auf die Gegner einschlagen und diese so besiegen.
Auch für einige Puzzles wird dieses Konzept genutzt, so dass ihr den Dämonen zum Beispiel an eine höher gelegene Stelle werft und euch dieser den Weg zum Weiterkommen öffnen kann.
Elemente und Verbesserungen
Zu Beginn müssen sich sowohl Cereza als auch Cheshire mit ein paar Standard-Manövern zufrieden geben, können aber über das Spiel hinweg immer wieder neue Moves dazu lernen. Dies geschieht über einen Talentbaum, der für beide Figuren separat geführt wird und sowohl passive als auch aktive Verbesserungen enthält. Zwei statt ein Bannkreis? Eine längere Kombo? Oder einfach größere Inventartaschen? Alles kein Problem, wenn man die ausreichende Menge an Kristallen gesammelt hat. Zusätzlich zu diesen findet man auch verschiedene Materialien mit denen man vier unterschiedliche Tränke brauen kann. Mit deren Hilfe ladet ihr eure Energie wieder auf, macht Cheshires dämonische Kräfte stärker oder zündet eine kleine Smartbomb.
Besonders wichtig für das Vorankommen in der Spielwelt sind jedoch die Elementarkräfte, die Cheshire nach und nach erlangt. Mit dem Pflanzenkern könnt ihr zum Beispiel Ranken bewegen und so verschlossene Türen öffnen, mit der Wasser-Kraft löscht ihr Feuer und kommt damit unter anderem an bis dato unerreichbare Truhen. Das Spiel weiß das alles gut einzusetzen und wirkt damit beinahe wie ein Metroidvania, denn zu Beginn stoßt ihr häufiger mal auf Hindernisse, die später kein Problem mehr darstellen.
Auch ein paar Nebenmissionen gibt es in „Bayonetta Origins: Cereza and the Lost Demon“. Diese beschränken sich aber lediglich auf klassische Fetch-Aufgaben in denen ihr Person X Material Y überbringen oder einfach von den Feen angekettete Irrlichter finden müsst. Im Wald sind außerdem Archiv-Einträge verstreut, die ihr euch im Pausenmenü genauer anschauen könnt und die euch etwas über die Spielwelt an sich erzählen.
Etwas knackiger sind da schon einige der Tir na nÓg-Herausforderungen. Während einige dieser Level als reguläre Boss-Arenen eingestreut werden, gibt es auch welche mit speziellen Aufgaben für Cereza und Cheshire. Belohnt werden ihr dann meist mit einem weiteren Teil für eure Lebensenergie-Leiste oder vielen Kristallen.
Wunderschön!
„Bayonetta Origins: Cereza and the Lost Witch“ ist definitiv eines der schönsten Spiele für die Nintendo Switch. Platinum Games erzählt die Geschichte in Form eines Bilderbuchs und spielt auf perfekte Art und Weise mit deren Ästhetik. So wirkt die Grafik auf den ersten Blick wie mit Wachsmalkreide und Aquarellfarbe gemalt, offenbart dann aber dank dem Einsatz dynamischer Texturen eine gewisse Tiefe. Diese ändern sich nämlich immer je nach Bewegung der Figur oder des Objekts, was einfach gut aussieht.
Hinzu kommen sagenhaft schöne Animationen, alleine Cerezas Bewegungsrepertoire ist herrlich. Egal ob sie sich ängstlich auf Zehenspitzen an Gegnern vorbeischleicht, ihren Bannkreis einsetzt oder beim Erlernen einer neuen Fähigkeit vor dem Spiegel posiert…Platinum Games hat hier viel Arbeit reingesteckt.
Auch die Spielwelt strotzt nur so vor Details und versprüht die perfekte magische Stimmung wie sie so ein Zauberwald auch haben sollte. Hier fliegen Blüten durch das Bild, da hüpfen mal ein paar Tiere durch die Gegend…auch hier: Note 1!
Auch in Sachen Barrierefreiheit hat der Entwickler seine Hausaufgaben gemacht und so kann man viele Optionen ein- und ausstellen und an seine Spielweise anpassen. Das Gesamtbild wird nur getrübt von einigen unschönen Treppchen-Effekten und einem verzögerten Grafikaufbau, der hin und wieder durch Nebel verschleiert werden soll. Aber das kennt man von der Switch mittlerweile ja…
FAZIT: Das beste Switch-Spiel des Jahres…bisher!
So überraschend die Ankündigung von „Bayonetta Origins: Cereza and the Lost Demon“ auch war, so sehr überzeugte der Titel nun im Test. Auf der Switch hatte ich in den letzten Monaten selten so viel Spaß wie mit diesem kleinen, sympathischen Abenteuer rund um Cereza und ihren Stoff-Dämon.
Auch wenn die Steuerung am Anfang etwas kompliziert scheint und mit einigen Zusatzkräften überladen wirkt, kann man das Spiel dennoch gut genießen. Die Mixtur aus Kämpfen und Rätseln war ausgewogen und so war immer für genug spielerische Abwechslung gesorgt. Was ich nicht gebraucht hätte, waren die vielen QTE-ähnlichen Eingaben. Da hätte man sich etwas mehr Mühe geben können.
Die gut zehnstündige Kampagne war auch in Sachen Story eine spaßige Angelegenheit und bot von Humor über Spannung bis hin zu Drama genug Unterhaltung. Man hat hier eine interessante Vorgeschichte zu den „Bayonetta“-Spielen geschaffen, die man auch ohne deren Kenntnisse genießen kann.
Der Star ist und bleibt aber die Inszenierung mit ihrer fantastischen Optik, den vielen kleinen Animationen und der dadurch entstehenden Atmosphäre. Ein Traum!
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