Kein anderer Regisseur dieser Welt produziert derartig viele filmische Kraftakte wie Lav Diaz! Der 63-jährige philippinische Filmmacher ist der absolute Meister des Slow-Cinema: Nahezu alle seiner Filme weisen eine extreme Lauflänge auf: „The Evolution of a Filipino Family“, das Werk, mit welchem er seinen Durchbruch feierte, hat beispielsweise eine Länge von 629 Minuten, das sind 10 Stunden und 29 Minuten! Dennoch ist der Film zu keiner Sekunde langweilig: Diaz drehte ihn über 15 Jahre hinweg mit den Schauspielern, im Verlauf der Handlung werden altern die Schauspieler also mit ihren Rollen. Der Film ist von 2006 und damit nochmal fast zehn Jahre älter als „Boyhood“, welcher für diese Herangehensweise 2014 gefeiert wurde.
Es folgten unter anderem weitere grandiose Langfilme wie „Melancholia“ , „Florentina Hubaldo, CTE“, „From what was before“, „Norte – Das Ende der Geschichte“ und „The Woman who left“.
Dabei fordert Lav Diaz nicht nur wegen der extremen Lauflänge, sondern auch wegen den schonungslosen Thematiken: In „Florentina Hubaldo, CTE“ beispielsweise geht es um die titelgebende Heldin, die von Hazel Orencio unglaublich gut gespielt wird. Florentina lebt mit ihrem Vater und ihrem Opa in einem abgelegenen Haus. Der Opa ist bereits stark dement und sieht in aller Ruhe zu, wie Florentina von ihrem Vater zur Prostitution gezwungen wird. Der Vater verdient sein Geld nämlich durch seine Tochter: Mit schweren Ketten ans Bett gefesselt muss Florentina einen Freier nach dem anderen erdulden. Diaz filmt das dabei so ruhig und statisch, dass die verstörende Wirkung noch viel intensiver ist, als bei Micheal Hanekes „Das weiße Band“ zum Beispiel.
In seinem vorherigen Film nahm es der äußerst staatskritische Regisseur nun mit dem Ex-Präsidenten seines Heimatlandes auf: Rodrigo Roa Duterte. Der umstrittene Präsident hat vor allem wegen seinem brutalen Krieg gegen die Drogen von sich Reden gemacht. „When the waves are gone“ verpackt den Kampf kunstvoll in ein 187 minütiges Epos und stellt zwei Charaktere in den Mittelpunkt der Handlung: Hermes Papauran (John Lloyd Cruz) ein Polizeichef aus Manila und Raffy (Dms Boongaling), einem Fotografen von Polizei-Einsätzen. Als Raffy zu Unrecht von der Regierung bezichtigt wird, Fake News zu verbreiten, bröckelt auch die Freundschaft der beiden.
Wie die Vorsitzende vom Locrano Filmfests in der Schweiz, Bianca Balbuena, nun verkündete, wird der neuste Film von Lav Diaz dort seine Premiere feiern. „Essential Truths of the Lake“ wird dabei die Vorgeschichte von „When the Waves are Gone“ erzählen.
Der Film zeigt abermals John Loyd als Hermes Papauran, welcher von Schuld getrieben, ein 15 Jahre alten Fall an einem, von einem Vulkanausbruch mit Asche bedeckten See, wieder aufrollt. Der Film hat eine Lauflänge von 225 Minuten.
Aus diesem Anlass stellte sich Lav Diaz auch den Reportern von Variety. Diese stellten fest, dass ein Film wie „Essential Truths of the Lake“ in dem politischen Umfeld durchaus tödlich sein kann:
„Wenn man sich im Kulturapparat verdingt und dann als Kommunist gebrandmarkt wird, dann ist es ein Leichtes für sie dich zu töten. Für meine Filme gibt es nicht viele Verbreitungsmöglichkeiten, also verteilen wir sie quasi gratis. Ich kenne die Gefahr. Man muss aber auch die Realität akzeptieren und sich gerade diesen Problemen entgegenstellen und weitermachen. Natürlich muss man vorsichtig sein, denn wir wissen ja, was mit Salman Rushdie passiert ist.“
Hauptdarsteller John Lloyd Cruz fügte hinzu:
„Wir stehen jeden Tag auf und in unseren Gedanken sind „Was ist in der Ukraine passiert, wie sieht es in Syrien aus, wie viele Menschen sind im Mittelmeer ertrunken? Aber dann? Dann trinkst du deinen Kaffee aus, gehst duschen und triffst deine Freunde. Wir müssen uns mehr davon überzeugen, dass es wert ist für andere zu kämpfen! Putin ist ein Psycho, Trump ist ein Psycho Marcos, Duterte sowieso. Trotzdem akzeptieren wir, dass sich nichts ändern wird? Du als ein reporter und ich als ein Filmemacher? Nein, sicher nicht!“
Quelle: Variety
Seit 12.August 2022 gibt es nun endlich auch den ersten großen Film des Meisters auf DVD: „Batang West Side“ aus dem Jahre 2001: Das erste Großepos im Werk von Lav Diaz (*1958) ist ein gewaltiges Zeitbild der philippinischen Diaspora in New York und New Jersey: Ein philippinisch-stämmiger Polizist untersucht den Mord an Hanzel Harana, einem philippinischen Jugendlichen, und muss sich mit Zähigkeit vorantasten, um die Mauer des Schweigens zu durchbrechen. Die Spur der Designerdroge „Shabu“ zieht sich durch den Film wie ein blutiges Rinnsal, aber Diaz delegiert seine Berichte über Kriminalität, häusliche Gewalt und die Unzufriedenheit in den Seelen lange Zeit ins Off; er setzt auf das hypnotische Porträt eines zerfallenden Lebens als Sinnbild der Entfremdung von der Heimat. Je mehr über die Protagonisten zu erfahren ist, desto komplexer, ungreifbarer, widersprüchlicher wird ihr Bild.
![Batang West Side [2 DVDs]](https://www.dvd-forum.at/wp-content/plugins/aawp/public/image.php?url=YUhSMGNITTZMeTl0TG0xbFpHbGhMV0Z0WVhwdmJpNWpiMjB2YVcxaFoyVnpMMGt2TkRFelRIbFpkMlJGYUV3dVgxTk1NVFl3WHk1cWNHYz18MTczMjcxMTYzNA=)
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Die meisten Filme von ihm gibt es auf dem Streamingdienst MUBI.
Wenn Ihr immer auf dem Laufenden bleiben wollt, empfehle ich Euch den Instagram-Kanal von Hazel Orencio. Sie ist die engste Vertraute des Regisseurs und langjährige Wegbegleiterin.
Werdet Ihr Euch Lav Diaz Herausforderungen stellen? Oder kennt Ihr den Meister vielleicht sogar schon? Schreibt es uns in die Kommentare:
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