Lang verschollen
Visual Novels gibt es nicht erst seit Handhelds wie der PSP oder dem Nintendo DS, die wortreichen Abenteuer haben damals auch schon auf dem NES ihren Platz gefunden. Nur in den Westen kamen diese Titel meist nicht, zu hoch waren der Aufwand für Lokalisation und Übersetzung.
Eine dieser Reihen ist „Famicom Detective Club“, welche es auf zwei Spiele für Nintendos 8 Bit-Konsole brachte. Einige Jahre später folgten noch ein Remake für das SNES sowie Ports für die Virtual Console der Wii beziehungsweise WiiU und den 3DS, aber nie wagte sich Nintendo an die Übersetzung und die Veröffentlichung für das westliche Publikum.
Vor wenigen Monaten folgte dann aber die überraschende Ankündigung: „Famicom Detective Club“ kommt für die Switch als Remake und dann auch noch nach Europa und in die USA. Mittlerweile ist das Doppelpack der beiden Detektiv-Abenteuer „The Missing Heir“ und „The Girl Who Stands Behind“ erschienen und wir haben uns die Spiele mal genauer angeschaut.
Von Erbschleichern und toten Schulmädchen
In „The Missing Heir“ schlüpft ihr in die Rolle von Amachi, der sich sich ohne Erinnerung an einem Kliff wiederfindet und dabei auf ein junges Mädchen trifft. Dieses klärt ihn auf, dass er eigentlich als Assistent eines Privatdetektivs tätig ist und gerade wohl mit dem Fall der verstorbenen Kiki Ayashiro beschäftigt war. Also nimmt er diese Fährte wieder auf und besucht das Dorf Myoujin, in dem der Todesfall geschah. Dort trifft er nicht nur auf die Familienmitglieder der Ayashiros und untersucht deren Alibis, auch auf eine rätselhafte Sage rund um einen Fluch wird er aufmerksam gemacht. Wie dies alles mit dem eigentlich Fall zusammenhängt und wer die arme Frau auf dem Gewissen, müsst ihr in den folgenden Stunden nun untersuchen.
Ein gänzlich anderes Setting bietet euch „The Girl Who Stands Behind“, denn hier ermittelt ihr an einer Highschool. Dort wurde nämlich eine der neuen Schülerinnen ermordet beziehungsweise wird ihre Leiche aufgefunden. Aber auch hier streut „Famicom Detective Club“ erneut eine übernatürliche Komponente ein, denn das Opfer hat sich vor ihrem Tod sehr viel mit einer Sage rund um einen Geist beschäftigt, der an der Schule herumspuken soll. Was es damit auf sich hat und ob man vielleicht doch alles recht rational erklären kann, müsst ihr nun aufklären.
Lesen, Klicken, Lesen
Spielerisch gibt sich „Famicom Detective Club“ recht limitiert, was aber natürlich dem Genre der Visual Novels geschuldet ist. So bewegt ihr euch von Bildschirm zu Bildschirm und wählt aus der Box oben links die entsprechenden Befehle aus. Entweder könnt ihr mit anderen Protagonisten sprechen, schaut euch Gegenstände an und untersucht sie oder geht in euch und denkt mit Hilfe der Remember-Funktion über Aussagen und Geschehnisse nach. Am Ende eines jeden Arbeitstages findet ihr euch dann in der Detektei zusammen und spekuliert über die vergangenen Ermittlungen.
Und viel mehr geschieht spielerisch eigentlich auch nicht. Zu 90% klickt ihr Textboxen weiter, in „The Girl Who Stands Behind“ gibt es immerhin zwischendrin ein paar mehr Interaktionsmöglichkeiten zum Lösen von Rätseln…das bleibt aber alles recht trocken und eintönig. Im Pausenmenü findet ihr zusätzlich die Notizen zu Ermittlungen, die euch vor allem einiges an Auskunft zu den verschiedenen Personen und Charakteren geben, die ihr schon getroffen habt. Außerdem findet ihr dort einige Optionen, die besonderen Wert auf die Einstellungsmöglichkeiten zu den Texten legen.
Hübsch, aber statisch
„Famicom Detective Club“ ist in Sachen Artstyle eine sehr runde Angelegenheit. Die Charaktere gefallen mit ihrem Design und der gelungenen Mimik, auch die Hintergründe sehen mit ihren vielen Details hübsch aus. Viel passiert auf den einzelnen Bildschirmen aber nicht, vor allem dynamische Events sind hier Fehlanzeige. Immerhin sind Animationen – wenn sie mal vorhanden sind – richtig toll umgesetzt. Einen großen Performance-Unterschied zwischen TV- und Handheld-Modus konnten wir in unserem Test nicht feststellen, ist aber bei den technischen Anforderungen für das Spiel auch kein Wunder.
Was den ein oder anderen sicher stören wird, ist der Verzicht auf deutsche Bildschirmtexte. Die gelungene japanische Sprachausgabe wird nämlich nur von englischen Texten begleitet, was den Käuferkreis sicherlich einschränken wird. Ein feiner Bonus für Retro-Freunde ist die Möglichkeit die originale Famicom-Musik auszuwählen, auch die optionalen Rückblenden beim Start des Spiels sind sehr benutzerfreundlich. Hin und wieder macht man ja doch mal eine längere Pause zwischen einzelnen Spielen.
FAZIT: Interessante Geschichten träge inszeniert
Visual Novels sind ein Genre für sich und sicherlich nicht für jeden Typ Spieler*in gemacht. „Famicom Detective Club“ bietet Switch-Besitzern zwei wirklich interessante und spannende Geschichten, jedoch ist die Umsetzung alles andere als ideal. So kommt man häufig nur über komische Zufälle zum Ziel, oft muss man den Gesprächspartner mehrfach ansprechen, damit er endlich die nötige Info rausrückt, damit man die Option zum Weitergehen freischalten kann. Dann kommt es aber auch wieder vor, dass einem das Spiel durch eine gelbe Markierung des Befehls klar macht, wohin man klicken soll. Das wirkt recht unausgegoren und halbgar…leider.
Denn auch in optischer Hinsicht gefallen die beiden Detektiv-Abenteuer trotz sehr vieler statischer Momente. Die Figuren sind hübsch, die japanische Synchro wie immer auf einem Top-Niveau und die Hintergründe zahlreich und detailliert. Da kann man nicht meckern.
Mit ein bißchen mehr Pepp und Mut in Sachen Gameplay wäre hier definitiv mehr drin gewesen. Und eine deutsche Übersetzung für die Texte sollte im Jahr 2021 eigentlich auch Pflichtprogramm für jeden Entwickler und Publisher sein. Ob „Famicom Detective Club“ so die breite Masse anspricht, darf bezweifelt werden. Wer aber schon immer neidisch nach Japan schielte, weil die Spiele nur dort erschienen sind, darf nun endlich zugreifen.
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