Champions League oder Kreisklasse?
Die „FIFA“-Reihe von Electronic Arts hatte in ihrem 28-jährigen Bestehen schon so einige Hochs und Tiefs zu überwinden. Denn während Konamis Fußball-Sim den Namen Simulation damals auch zurecht trug, war EAs Sportspiel immer eher in Richtung Arcade ausgelegt und sorgte mit zahlreichen Toren und Strafraum-Action zwar für viel Unterhaltung, aber sprach nicht unbedingt die Realismus-Freunde an.
Seit dem Generationswechsel auf PlayStation3 und Xbox 360 hat das kanadische Unternehmen die virtuelle Fußball-Welt aber fest im Griff. Von Jahr zu Jahr steigert man die Verkaufszahlen von „FIFA“ und ist mittlerweile auch in Sachen Lizenzen zu einer kaum einholbaren Größe geworden. Obendrauf gibt es immer wieder zahlreiche Versuche, neue Inhalte wie einen Story-Modus zu integrieren, auch auf dem Feld probiert man sich immer wieder mit neuen Moves und Aktionen aus.
Wie schon „NBA 2K21“ hat auch „FIFA 21“ im vergangenen Jahr anlässlich des Releases von PS5 und Xbox Series X|S einen ordentlichen Grafik-Schub nach vorne gemacht. Umso spannender ist nun die Frage, wie sich der neue Ableger macht. Verliert sich EA mal wieder in einem reinen Kader-Update oder hat man wirkliche Neuerungen zu bieten?
Story? Fehlanzeige!
Während wir uns im vergangenen Jahr schon mit einer abgespeckten Story im Volta-Modus begnügen mussten, die innerhalb weniger Stunden schon wieder vorbei und mit nichtssagenden Charakteren vollgepackt war, geht es dieses Jahr noch schlimmer. Denn in „FIFA 22“ gibt es keinerlei Kampagne. Zwar schlüpft ihr zu Beginn in die Rolle einer Figur und erlebt eine Auffrischung bekannter und die Einführung in neue Kommandotypen in Form einer kleinen Geschichte, das war es dann aber auch schon.
In Sachen Modi erwarten euch keine Überraschungen. Freundschaftsspiele, Online-Matches, FUT und die üblichen Karriere-Varianten als Spieler, Trainer oder Mannschaft. Aber halt…da gibt es tatsächlich eine Neuerung und zwar könnt ihr nun euren eigenen Verein gründen und bis an die Spitze der Fußball-Welt kicken.
Dafür legt ihr fest, welches Team ihr ersetzt und gebt eurem neuen Klub einen Namen, ein Stadion, gestaltet eure Trikots und das Stadion und könnt sogar die Anfeuerungsrufe auswählen. Anschließend könnt ihr sogar den Fokus eures Klubs festlegen und bestimmt dabei Parameter wie die Jugendarbeit, den Umgang mit Finanzen und die Ambitionen des Vereins. Dieser Modus ist natürlich besonders in Ländern wie England oder Deutschland spannend, die mehrere Liga-Klassen bieten und man sich so wirklich von ganz klein bis ganz groß hocharbeiten kann.
Was sind die Neuerungen?
Wie schon erwähnt, gibt es zu Beginn ein kleines Tutorial zu den neuen Bewegungsabläufen und Kommandos. Diese konzentrieren sich hauptsächlich auf die Laufwege von Spieler*innen, die gerade nicht im Ballbesitz sind und wie man diese korrekt an die gewünschte Position bringt.
Weiterhin betont EA im Rahmen der Current Gen-Fassungen vor allem die HyperMotion-Technologie, die vor allem für noch realistischere Animationsabläufe und echtes Spieler-Verhalten sorgen soll.
Auch in Volta und FUT gibt es einige Neuerungen. So habt ihr beim technik-fokussierten Kleinfeld-Ableger nun eine verbesserte Skill-Anzeige und Spezialfertigkeiten wie höheres Tempo und einen kraftvolleren Schuss. In FUT konzentrierte sich EA letztlich vor allem auf das Drumherum. So gibt es ein paar neue Liga-Strukturen und die Individualisierung des Stadions bietet euch nun einige Inhalte mehr.
In Sachen Lizenzen fällt auf, dass mehrere Nationalmannschaften nicht mehr Teil des Spiels sind, hier schrumpft EA in den vergangenen Jahren deutlich. Neben Nationalteams der Frauen könnt ihr wie üblich aus einem riesigen Pool an Vereinen wählen. Egal ob aus der japanischen J-League, der deutschen dritten Liga oder der US-amerikanischen MLS. Dennoch gibt es auch hier ganz leichten Schwund, was die italienischen Mannschaften betrifft. Nach Juventus Turin sind nun auch Atalanta Bergamo, Lazio und der AS Rom nur mit Fantasie-Wappen und -Trikot dabei.
Technischer Sprung?
Im vergangenen Jahr war die PlayStation5- beziehungsweise Xbox Series X|S-Version gegenüber den anderen Fassungen deutlich überlegen. Vor allem neue Animationen abseits des Spielgeschehens und Feinheiten in der Inszenierung ließen echtes Next Gen-Feeling aufkommen. Aber wie sieht das denn im diesen Jahr aus? Nun, anscheinend hat es sich EA etwas leichter gemacht. Ehrlich gesagt, die angepriesene HyperMotion-Technologie sieht man dem Spiel nicht unbedingt an, immerhin wirken einige der Spieler-Modelle leicht verbessert und detaillierter.
In den Menüs findet man sich schnell wieder zurecht, denn auch hier wurde eigentlich kaum etwas verändert. Das Gleiche gilt für die Kommentatoren. Auch wenn diese um Welten besser sind als das Duo aus Konkurrent „eFootball“, wird hier häufig so ein Blödsinn geredet, dass man den beiden gerne schnell den Saft abdrehen möchte. Und warum kennen die beiden auch in „FIFA 22“ immer noch nicht die Namen der kleineren Vereine und unbekannteren Spieler?
FAZIT: „FIFA 22 Legacy Edition“ jetzt auch für PS5 & Co.?!?
Die Diskussion um Sinn und Unsinn von jährlichen Updates bei Sportspielen wird ja schon seit Anbeginn dieser VÖ-Politik gestellt. Und meist konnte man irgendwelche Features finden, die einen Kauf der aktuellen Fassung irgendwie rechtfertigten. Doch in 2021 scheint bei einigen der Herstellern ein gewisses Maß an Faulheit eingekehrt zu sein. Ob das an Corona oder der Profitgier liegt, sei mal dahingestellt.
Letztlich ist „FIFA 22“ wieder ein gutes Fußballspiel geworden, das auf dem Platz schon Spaß macht. Auch die Neuerungen wie das Erstellen eines eigenen Teams für den Karrieremodus finde ich super und über lange Zeit motivierend. Doch wenn man sich schon die Mühe macht, so viele kleine Ligen und Teams zu lizenzieren, könnte man diese auch mehr wertschätzen. Das beginnt bei dem Aussehen der Spieler*innen, geht über die Stadien bis hin zur Kenntnis des Kommentatoren-Duos, wer da gerade spielt.
Auch wenn es auf dem Papier einige Neuerungen gibt, fielen die beim Test über mehrere Stunden nicht wirklich auf. Letztlich handelt es sich also auch bei den „großen“ Fassungen von „FIFA 22“ mehr um ein Kader-Update und so muss jeder selber wissen, ob ihm das die 70,-€ wert sind.
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