Ubisofts Formel
Während Ubisoft in der Vergangenheit häufiger mit kreativen Spielideen auffiel, muss man dem französischen Entwickler mittlerweile leider eine gewisse Formelhaftigkeit unterstellen. Seit dem ersten „Assassin’s Creed“ hat man das Konzept seiner Open World-Spiele zwar immer wieder auch mal überarbeitet und modernisiert, jedoch langweilte man die User viele Jahre auch mit immer den gleichen Grundprinzipien. Türme erobern, Gebiete und Geheimnisse freischalten…weiter geht’s.
Auch „Immortals Fenyx Rising“ drohte in diese Falle zu tappen, immerhin konnte das Spiel aber schon seit seinem ersten Trailer mit einem eigenständigen Grafikstil auf sich aufmerksam machen. Dennoch waren die Meinungen bisher eher skeptischer Natur, denn in einem weiteren Trailer wirkte das Spiel einfach nur wie eine dreiste Kopie von Nintendos Meisterwerk „The Legend of Zelda: Breath of the Wild“.
Doch wie ist es denn nun wirklich geworden? Handelt es sich wieder nur um einen lauwarmen Aufguss von Ubisofts Open World-Formel oder gar um einen frechen Klon? Unser Test der PlayStation5-Version wird es euch verraten.
Von Göttern und Monstern
Als der Dämon Typhon die Welt der Götter bedroht und ihnen ihre ursprüngliche Erscheinungsform nimmt, erhofft sich Zeus Hilfe von Prometheus. Da sich dieser aber in einer misslichen Lage befindet und immer noch an den Berg gekettet ist, wo sich tagtäglich ein Adler an seiner Leber zu schaffen macht, schlägt er dem Ober-Gott einen Deal vor. Wenn es ein Sterblicher schaffen sollte, Typhon zu besiegen, nimmt er Prometheus’ Strafe zurück.
Und somit beginnt die Geschichte von Fenyx, der Befreiung der Götter und dem Kampf gegen Typhon.
Breath of the Fenyx
Nachdem ihr dem Vorgeplänkel der beiden Götter gelauscht habt, müsst ihr euch zunächst einmal für einen Charakter entscheiden. Fenyx kann nämlich sowohl männlich als auch weiblich sein, außerdem stehen viele weitere Einstellungsmöglichkeiten zur Verfügung. Und dann kann es eigentlich schon losgehen.
Im ersten der insgesamt sieben Gebiete durchlauft ihr sowas wie ein Tutorial und bekommt erst einmal die grundlegenden Fähigkeiten von Fenyx erklärt. Neben einem leichten und einem schweren Angriff, kann man gegnerischen Attacken auch ausweichen. Macht man das zum rechten Zeitpunkt, wird eine Zeitlupe aktiviert, in der ihr dem Gegner seelenruhig ein paar Hiebe verpassen könnt. Auch das Klettern beherrscht euer Held beziehungsweise eure Heldin schon, allerdings muss man hierbei den Ausdauerbalken beachten und immer rechtzeitig Pausen einlegen. Fenyx kommt relativ schnell außerdem in den Genuss einiger göttlicher Hilfsmittel. Mit den Schuhen von Hermes lauft ihr schneller, die Flügel von Ikarus ermöglichen euch das Gleiten durch die Lüfte und Doppelsprünge.
Während euch in der Spielwelt immer wieder feindlich gesinnte Tiere oder Soldaten begegnen und zu Kämpfen zwingen, sind aber auch Puzzle und Rätsel ein großer Teil des Spiels. Sowohl in den regulären Aufgaben und Missionen, aber auch sehr häufig zum Lösen von Nebenmissionen und Sammelaufgaben.
Fenyx im Stress
Denn neben der Mammutaufgabe Typhon zu besiegen, gibt es für Fenyx noch viele andere Dinge zu tun. Hier gibt es mal ein Zeitrennen, da müsst ihr mal eine Melodie auf einer Harfe nachspielen. Dreh- und Angelpunkt der Nebenaufgaben ist aber das Verbessern von Fenyx’ Fähigkeiten. So sammelt ihr Ambrosia für mehr Lebensenergie, Münzen für das Verbessern oder Erlernen von Fähigkeiten und Zeus’ Blitze für bessere Ausdauer. Durch das Erledigen von Feinden oder dem Öffnen von Truhen bekommt ihr außerdem Kristalle und Rohstoffe, die ihr zum Brauen von Tränken oder dem Verbessern der Ausrüstung hernehmen könnt.
In Truhen oder durch das Erledigen von Aufgaben wie „Töte XY Wildtiere“ bekommt ihr außerdem nochmal die Möglichkeit auf neue Waffen, Rüstungen und Helme. Diese unterscheiden sich häufig recht deutlich in ihren Statuswerten und so muss man deren Einsatz gut abwägen.
Wie in „Breath of the Wild“ gibt es auch Rätsel-lastige Gewölbe, in denen man teilweise ganz schön harte Kopfnüsse lösen und Sprungpassagen meistern muss. Als Belohnung gibt es dann aber meist einen von Zeus’ Blitzen oder einen neuen Ausrüstungsgegenstand. Häufig sind diese Gewölbe auch Bestandteil einer Story-Mission.
Im Gegensatz zu früheren „Assassin’s Creed“-Teilen werden die ganzen Geheimnisse aber nicht als Fragezeichen auf der Karte angezeigt. Kommt ihr in ein neues Gebiet, solltet ihr auf den höchsten Punkt klettern und könnt das Areal mit Hilfe eures Fernglases erkunden. Interessante Punkte – die sich durch das Vibrieren des Pads zeigen – können dann mit einem Druck auf R2 markiert werden und verraten euch dann gleich, welche Art von Objekt oder Aufgabe dort auf euch wartet.
Schöne Antike
Die Grafik von „Immortals Fenyx Rising“ beziehungsweise deren Schönheit wird nicht auf den ersten Blick deutlich. Vor allem das erste Gebiet wirkt sehr trist und altbacken, spätestens aber in Aphrodites Areal wird die Schönheit der Grafik und vor allem deren Farbenpracht deutlich. Da fliegen bunte Blüten durch die Luft, Früchte leuchten in grellen Farben und der Himmel erstrahlt blau. Generell sind die unterschiedlichen Gebiete immer perfekt auf den jeweiligen Gott angepasst und unterstreichen so nochmal die Atmosphäre.
Das Charakterdesign geht in Ordnung, auch wenn die NPCs etwas homogener als der oder die selbsterstellte Fenyx wirken. Ein Highlight sind die Gegner und Monster, die wirklich super gestaltet sind und alle der griechischen Mythologie entnommen sind. Auf der PlayStation5 hat man die Wahl zwischen einem Grafik- und einem Performance-Modus, beide laufen aber absolut zurfriedenstellend und flüssig auf der neuen Konsole.
Auf akustischer Seite gefällt das Spiel mit seiner Musik, die Kämpfe und Story-Momente gut untermalt, entgeistert aber etwas mit der deutschen Vertonung. Diese geht noch in Ordnung, einige Stimmen wirken aber etwas fehl am Platz. Außerdem zünden viele der Gags, die vor allem die beiden Herren Zeus und Prometheus machen und hin und wieder während dem Spiel zu hören sind, nicht immer.
FAZIT: Link gefällt das
„Immortals Fenyx Rising“ ist trotz der Zweifel im Vorfeld dennoch ein sehr gutes Spiel geworden und eine kleine Überraschung im sonst so eingefahrenen Ubisoft-Lineup. Zwar orientiert sich das Open World-Abenteuer schon sehr deutlich an Links letztem Switch-Auftritt, aber es besitzt genug Eigenständigkeit. Wenn man in einem Berg hängt und sich die Ausdauerleiste leert oder man mit einem beherzten Axtschlag nicht nur den Feind, sondern auch gleich Bäume und Sträucher umholzt, kommen unweigerlich „Breath of the Wild“-Gefühle auf, auch der Einsatz der vielen Physik-Spielereien wirkt bekannt.
Dennoch hat „Immortals Fenyx Rising“ viele andere Elemente, die das Spiel zu einem frischen Erlebnis machen. Das fängt beim Setting in der griechischen Mythologie an und endet bei den sehr vielen, humorvollen Momenten in der Geschichte. Letztlich fehlt der neuen Ubisoft-IP aber noch etwas der Feinschliff. So sind einige Kämpfe plötzlich erheblich schwerer, manchen Attacken von Feinden kann man oft gar nicht ausweichen, da diese so schnell aufeinander folgen. Auch das Lockon-Feature hilft in den Kämpfen häufig nicht für eine bessere Übersicht und auch bei einigen Rätseln ist nicht immer gleich klar, was das Spiel hier von dem User will.
Aber hey, auch „Assassin’s Creed“ hat mal klein und ungeschliffen angefangen. Vielleicht erleben wir hier den Start in eine neue, langlebige Reihe.
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