Yakuza-Kind
Vor gut zehn Jahren war die „Yakuza“-Reihe noch ein echter Nischen-Titel und hatte mit einigen Problemen zu kämpfen. Vor allem die stiefmütterliche Behandlung im Westen mit Schnitten und dem Entfernen ganzer Nebenmissionen, war für Fans eine ärgerliche Angelegenheit. So musste man bei jeder Ankündigung eines neuen „Yakuza“ zittern, ob man überhaupt in den Genuss einer lokalisierten Fassung kommt. Mittlerweile ist die Reihe aber voll und ganz im Westen angekommen und kann sogar mit guten Verkaufszahlen überzeugen.
„Yakuza“ war auch schon immer Spielplatz der Entwickler, so dass man hin und wieder auch einige Spin-offs auf den Markt brachte. Unter anderem gab es zwei Titel im feudalen Japan, eine Zombie-Variante und auf der PSP durfte man sogar in die Rolle eines anderen Helden schlüpfen. Auch „Judgment“ gehört zu dieser Ableger-Reihe und wurde schon mit Teil 1 gut angenommen. Nachdem die Haupt-Reihe sich nun eher auf JRPG-Pfade begibt, hält Yagamis Abenteuer an den traditionellen Zutaten fest und bleibt den Brawler-Genen treu.
Teil 2 wurde nun sogar zeitgleich mit der japanischen Version auch bei uns veröffentlicht – ein weiteres Novum und wichtiges Zeichen an die Fans. Ob „Lost Judgment“ auf der PlayStation5 überzeugen kann, verraten wir euch in unserem Test.
Tak is back!
Wie auch schon in Teil 1 schlüpfen wir in „Lost Judgment“ in die Rolle des Detektivs und Ex-Anwalts Takayuki Yagami. Während wir mal wieder in Kamurocho mit einer Klientin unterwegs sind, die anscheinend von ihrem Freund finanziell ausgenutzt wird und dies von uns untersuchen lassen will, findet die Polizei in Yokohama eine stark verweste Leiche.
Relativ schnell wird klar, dass diese im Zusammenhang mit einem vermeintlich unspektakulären Fall eines U-Bahn-Grabschers steht, den Yagamis Ex-Kanzlei übernommen hat. Um den Hintergründen der Tat auf die Schliche zu kommen, wird Yagami so Betreuer eines Detektivclubs an der örtlichen High School in Yokohama und deckt schnell auf, dass hier irgendetwas nicht stimmt und der Fall seine Kreise bis in die höchsten Ebenen zieht.
Auf die Nase!
Wer schon einmal einen Teil der „Yakuza“-Reihe gespielt hat, findet sich schnell in „Lost Judgment“ zurecht. Ihr seid mit Tak meist zu Fuß – oder neuerdings Skateboard – in den beiden Vierteln Ijincho und Kamurocho unterwegs und erledigt dort die euch gestellten Aufgaben und Missionen. Auf offener Straße gibt es recht häufig Auseinandersetzungen mit Ganoven und anderen bösen Buben, die ihr anschließend verhauen könnt.
Hierfür greift euer Held auf vier verschiedene Kampfstile zurück, die sich in Wucht, Schnelligkeit und Kraft voneinander unterscheiden und euch dank verschiedener Move-Sets immer angemessen auf den jeweiligen Gegner reagieren lassen. Durch erfolgreiche Angriffe füllt ihr die Ex-Anzeige, mit der ihr dann entweder mächtige Spezialangriffe von der Stange lasst oder euch für kurze Zeit stärker und robuster macht. Gegenstände, Waffen und Levelobjekte sind außerdem ein willkommenes Mittel den Gegnern zu zeigen, wer hier der Boss ist.
Doch „Lost Judgment“ ist natürlich so viel mehr als Kämpfen. Denn als Detektiv ist Tak mit allerlei Gadgets ausgestattet und greift somit auf eine Drohne oder ein Richtmikrofon zurück. Hin und wieder kommt es auch zu Verfolgungsjagden, außerdem ist Tak ein echter Kletter-Spezialist und erklimmt so die unmöglichsten Orte.
Nebenmissionen deluxe!
Wie auch in den Jahren zuvor, sind neben der Hauptgeschichte aber auch die Nebenmissionen einer der Gründe, warum man „Lost Judgment“ spielen sollte. So fasst ihr mal einen Höschen-Dieb auf frischer Tat, geht seltsamen Gerüchten um ein lebendig gewordenes Anatomie-Skelett in der Schule nach oder helft einem jungen Mann, seiner Jugendliebe seine Gefühle zu gestehen.
Dank des Schul-Settings kommt es außerdem zu einer Vielzahl an neuer Beschäftigungen. Im Tanz-Club versucht Tak seine Kung Fu-Künste zu neuen Tanzschritten zu kombinieren, generell übernimmt er dank Job als Krimiclub-Betreuer einige spannende Aufgaben an der Schule.
Wer sich in Sachen Games die Zeit vertreiben möchte, kann beim neuen „Judgment“-Teil nicht nur in der Spielhalle an Titel wie „Fighting Vipers“ oder „Fantasy Zone“ Hand anlegen, in eurem Büro steht außerdem ein Master System bereit. Allerdings gibt es hier nur „Alex Kidd“ vom Start weg, andere Spiele findet ihr zum Beispiel in Pawnshops.
Und als wäre das alles noch nicht genug, gibt es wieder die beliebten Drohnen-Rennen, allerlei Spiel-Casinos und eine spannende Eichhörnchen-Suche.
Dank dieser Nebenaufgaben und den Hauptmissionen erhält Tak ständig Erfahrungspunkte, die ihr in neue Moves, Fertigkeiten und Attribute stecken könnt. Das macht euch vor allem bei den Kämpfen wesentlich agiler und diese abwechslungsreicher, hilft aber auch bei anderen Detektiv-Dingen wie Verfolgungsjagden.
Japan war noch sie so schön
„Lost Judgment“ sieht auf der PlayStation5 in zahlreichen Sequenzen fotorealistisch aus. Vor allem die sehr gute Beleuchtung der Szenerie ist daran schuld und taucht das Spiel in ein tolles Licht. Auch die Modelle der Haupt-Figuren sind mal wieder ein echter Hingucker und lassen in Kombination mit der japanischen Synchro Film-Feeling aufkommen.
Wie schon bei Teil 1 ist Taks Steuerung etwas unglücklich und arg schwammig. In den regulären Laufsequenzen bleibt man immer wieder mal hängen oder läuft auf irgendein Objekt auf, was eigentlich kein Hindernis darstellen sollte. In den Kämpfen ist dann aber alles ok und so brecht ihr relativ schnell recht routiniert die ein oder andere Nase.
Auch musikalisch kann „Lost Judgment“ gefallen und steht hier der Haupt-Reihe in nichts nach. Die rockigen Klänge untermalen das Kampfgeschehen perfekt, in ruhigeren Momenten gibt es eher sphärische Musik. Etwas nervig sind die Elektro-Dudeleien bei den Drohnen-Rennen…die können ganz schön schnell nerven und fallen negativ auf.
FAZIT: Unterhaltsame Krimi-Action!
„Lost Judgment“ macht eigentlich da weiter wo der Vorgänger aufgehört hat. Die Story braucht zwar ein paar Stunden bis sie in die Gänge kommt, doch entfaltet dann ihr wahres Potential und reißt ziemlich gut mit. Umso kurioser ist es, dass diesmal die Nebenmissionen etwas schwächer als gewohnt sind und ab und zu die Kreativität früherer Teile vermissen lassen. Da macht es plötzlich auch Sinn, dass einem die Nebenaufgaben nicht wie üblich einfach „über den Weg laufen“, sondern man diese meist erst durch Aufspüren über die Schlagwortsuche in der App findet. Wollte man da etwas verstecken?
Die Kämpfe sind mal wieder ein echtes Highlight und ein Fest für Brawler-Freunde, vor allem wenn man mal einige Move-Sets freigeschalten hat. Auch technisch ist eigentlich alles astrein, auch wenn unwichtige NPCs deutlich schlechter als die Haupt-Figuren aussehen und man hin und wieder über eine matschige Textur stolpert.
Wer also die guten alten Prügeleien aus „Yakuza“ vermisst, kann hier bedenkenlos zugreifen. Auch Fans einer spannend erzählten Geschichte sind hier richtig, auch wenn man am Anfang etwas Geduld mitbringen muss. Und wer aktuell Sehnsucht nach Japan hat, eine Reise durch die Pandemie aber verhindert wird, muss sich eben virtuell ins Land der aufgehenden Sonne wagen. Es lohnt sich!
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