Eine Geschichte voller Irrungen und Wirrungen
Man mag es heutzutage kaum glauben, aber „Sonic the Hedgehog“ war in den 90er Jahren wirklich eine Marke, die es mit Nintendos „Super Mario“-Spielen aufnehmen konnte und in manchen Ländern sogar deutlich beliebter als der hüpfende Klempner war. Sonic strahlte einfach mehr Coolness aus…Stacheln, fesche Turnschuhe und natürlich das rasend schnelle Gameplay waren einfach sehr überzeugende Argumente.
Doch während Nintendo mit „Super Mario 64“ die Spielewelt revolutionierte, sollte es bei Sega bis 1999 und dem sagenhaften „Sonic Adventure“ dauern, bis man einigermaßen mit der Konkurrenz gleichziehen konnte. Die Jahre danach waren aber leider erneut von Höhen und besonders vielen Tiefen geprägt. Zwar durfte der blaue Igel nach dem Ende von Sega als Konsolenhersteller nun Seite an Seite mit Mario in sportlichen Wettkämpfen antreten, aber seine Solo-Titel waren nur selten von Erfolg gekrönt. Das Spielprinzip ließ sich einfach schlecht in 3D-Umgebungen portieren beziehungsweise fand man bei Sega keinen fähigen Entwickler hierfür.
Somit wiederholt sich bei jeder neuen „Sonic“-Veröffentlichung das gleiche Spiel. Sega verspricht Großartiges, die Fans sind skeptisch und am Ende kommt ein eher mittelmäßiges Produkt dabei heraus.
Ähnlich ging es auch „Sonic Frontiers“ im Vorfeld, das Sonic in eine offene Spielwelt transportiert und dabei auf einen – fast schon unpassenden – Grafikstil setzt. Doch vielleicht handelt es sich hierbei um eines der besten „Sonic“-Spiele der letzten zwanzig Jahre…lest es in unserem Review der PlayStation5-Fassung.
Gefangen im Cyberspace
Eigentlich beginnt „Sonic Frontiers“ recht positiv. Sonic, Amy und Tails sind eigentlich auf dem Weg zu den Starfall Islands um das mysteriöse Verschwinden der Chaos Emeralds zu untersuchen. Doch plötzlich erfasst ein Wurmloch das Flugzeug und Sonic findet sich kurze Zeit später in einer seltsamen Variante der Green Hill Zone wieder. Er findet heraus, dass es sich hierbei um eine Cyber Space-Version dieser handelt und schafft es auch an deren Ausgang zu kommen.
Doch leider findet er dort weder Amy noch Tails, aber immerhin ist er auf einer der Starfall Islands, nämlich Kronos, angekommen. Relativ schnell erfährt Sonic dort, dass er eine spezielle Begabung haben muss, um aus dem Cyber Space entkommen zu können und dass dort wohl auch seine Freunde gefangen sind. Um sie zu befreien, muss er nun alle Chaos Emeralds wieder finden und die Titanen der Starfall Islands besiegen. Und als wäre das nicht schon genug, treibt auch Dr. Robotnik wieder sein Unwesen…
Breath of the Sonic
Im Vorfeld von „Sonic Frontiers“ kamen einige hämische Fragen auf, ob man bei Sega nun „Breath of the Wild“ kopieren wolle. Und in Sachen Atmosphäre wird das Spiel dem Nintendo-Meisterwerk auch irgendwie gerecht…doch fangen wir von vorne an.
„Sonic Frontiers“ hat zwar im Cyber Space auch klassische „Sonic“-Level, die ihr mal aus der Seitenansicht, mal aus der Schulterperspektive verfolgt, ist aber im Grunde ein großer Open World-Spielplatz. Auf den Inseln finden sich nämlich zahlreiche kleine Herausforderungen, Nebenmissionen und Spielereien, die ihr mit Sonics temporeichen Aktionen bewältigen müsst. Loops, Bumper, Beschleunigungsstreifen…das alles kennt man aus den klassischen „Sonic“-Spielen und wird hier hervorragend und vor allem kreativ eingesetzt. Habt ihr das vorgegebene Hindernis überwunden, werdet ihr meist mit speziellen Abzeichen belohnt, die ihr wiederum für das Fortsetzen der Story braucht. Aber keine Angst…diese „Währung“ gibt es so zahlreich, dass man sich darum keine Sorgen machen muss.
Es gibt aber auch noch andere einsammelbare Tokens, natürlich auch wieder die altbekannten Münzen. Je mehr ihr davon habt, desto schneller seid ihr in der Spielwelt unterwegs. Natürlich dienen euch diese auch als Lebensversicherung, denn werdet ihr von einem Feind getroffen, verliert ihr erstmal Münzen und nicht gleich ein Leben.
Sonic hat viel zu tun
Doch natürlich besteht „Sonic Frontiers“ nicht nur aus Jump’n’Run-Einlagen, denn unserem blauen Igel stellen sich oft genug auch Feinde gegenüber. Diese sind diesmal eher futuristischer Natur und haben oft ganz besondere Eigenheiten und können meist nur mit einem bestimmten Angriff besiegt werden. Doch dafür ist Sonic gut gewappnet, denn er lernt während des Spiels immer wieder neue Attacken hinzu und wird somit recht flexibel. Speziell wird es dann meist bei den Titanen der jeweiligen Inseln, denn diese sind hoch wie ein Wolkenkratzer und verlangen verschiedene Kampfmanöver von euch.
Neben dem Kämpfen, Rennen und Springen, sammelt Sonic verschiedene Währungen auf, wie weiter oben schon geschrieben. Neben den Abzeichen für den Fortlauf der Story, könnt ihr mit eingesammelten Erfahrungspunkten eure Fertigkeiten erweitern und bei zwei Händlern Ringkapazitäten, Stärke oder Schnelligkeit verbessern.
Für Letzteres braucht ihr die Kocos, kleine süße Einwohner der Starfall Islands, die ihr quasi gegen Verbesserungen eintauscht. Auch ein Angel-Minispiel darf bei solch einem aktuellen Titel natürlich nicht fehlen. Für Unterhaltung abseits der Story ist also zahlreich gesorgt.
Ebenso für spielerische Abwechslung, denn neben all den Herausforderungen in der Open World, gibt es ja noch die bereits erwähnten Cyber Space-Level. Diese erinnern an frühere Spiele und geschehen sowohl in 2D als auch 3D. Fans dürfen sich auf ein Wiedersehen mit altbekannten Welten freuen und dank sammelbarer Münzen, Zeitlimits und abschließender Benotung gibt es auch einen hohen Wiederspielwert.
Passt!
Gerade im Vorfeld wurde „Sonic Frontiers“ für die eher realistisch gehaltene Optik stark kritisiert. Das Gezeigte würde nicht zum Rest passen, auch die vielen futuristischen Design sorgten für Kopfschütteln. Doch nach zahlreichen Stunden auf den Starfall Islands überwiegt ein positiver Eindruck. Ja, der Bildaufbau ist manchmal recht verzögert, vor allem die vielen Loops und andere Vorrichtungen ploppen oft spät ins Bild. Doch insgesamt gefällt das Spiel mit seiner Grafik und bietet mit dem Cyber Space und den verschiedenen Inseln viel Abwechslung fürs Auge. Das Gleiche kann man über die Gegner und Feinde sagen, auch wenn ich hier sehr häufig an den Anime „Neon Genesis Evangelion“ denken musste.
Ebenfalls gelungen ist die musikalische Untermalung. So verwöhnen euch ruhige und entspannte Töne während des Erkundens der Inseln mit passenden, musikalischen Stilrichtungen. In den Auseinandersetzungen wird es dann aber auch gerne mal fetzig, vor allem der Metalcore bei den Bosskämpfen ist einfach großartig! Die deutsche Synchro geht vollkommen in Ordnung, Sprecher-technisch gibt es hier keine Ausfälle zu berichten.
Lediglich die Menüführung könnte etwas schöner gelöst sein, außerdem sollte man das Training während der Ladezeiten irgendwie anders beenden können als durch einen langen Druck auf das Touchpad des PS5-Controllers.
FAZIT: Das beste „Sonic“-Spiel seit „Sonic Adventure“!
Auch ich war zur Ankündigung von „Sonic Frontiers“ recht skeptisch, immerhin wurde man ja doch schon einige Male recht klar enttäuscht. Doch Segas neuester Streich ist mit das Beste was ich seit seligen Dreamcast-Zeiten zu Weihnachten 1999 gespielt habe.
„Sonic Frontiers“ hält so viele Herausforderungen, Action und Spaß bereit wie nur selten zuvor. Ja, die Abschnitte im Cyber Space zeigen erneut mal wieder die Schwächen des Game Designs, aber was man hier in der Open World auffährt, ist einfach nur top!
Auch der Vergleich mit „Breath of the Wild“ kam mir während der Teststunden häufiger in den Kopf. Dieser ist vor allem wegen der Atmosphäre und der entstehenden Neugierde, die Inseln zu erkunden, definitiv berechtigt. Besonders auf der ersten Insel Kronos sorgen die ruhigen Musikstücke für eine ähnliche Grundstimmung wie bei Links Vorzeige-Abenteuer in Hyrule.
Die Kämpfe sind hin und wieder etwas hektisch, manchmal will die Kamera auch nicht so wie der Spielende und verliert dann den Fokus auf wirklich wichtige Bereiche. Aber das ist nur selten der Fall und kann meist schnell korrigiert werden.
„Sonic Frontiers“ schafft also wirklich das beinahe Unmögliche, ein „Sonic“-Spiel gut in die dritte Dimension zu verfrachten. Neben einem tollen Geschwindigkeitsgefühl, dürfen sich Spieler*innen also auf unzählige Herausforderungen und viel Abwechslung freuen. So will ich Sonic sehen!
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